Von Onkel Rosebud (04.11.2023)
Neues vom Hauptstadt-Korrespondenten: Ein trüber Donnerstagabend im November nötigte eine kleine, aber feine Reisegruppe, nach Kreuzberg aufzubrechen, denn Protomatyr, eine Post-Punk-Band aus Detroit, hatten sich im Hole 44 angesagt. Die Formation hat seit 2012 sechs Alben und sechzehn Singles mit schlecht gelauntem Gleichmut auf röhrenden Stakkato-Gitarren veröffentlicht und ist live immer eine Bank, wie wir uns schon vor drei Jahren im Lido überzeugen konnten. Vorher noch zum Italiener. Er nimmt nur Bares. Dit is Ballin.
Im Hole 44 waren wir noch nie. Von außen ist der Laden auf der Hermannstraße ziemlich unscheinbar. Von innen aber ein Träumchen von einer Konzert-Location, ein regelmäßiger Hexaeder aus Beton mit Kantenlänge 20 Meter und Empore, wobei ein Drittel des Raums Bühne und Bar einnehmen. Es passen so 500 Leute rein und die sind alle schon da, als pünktlich um 20 Uhr die Vorband CIA Debutante losrumpelt. Ein recht verpeilter Australier nuschelt im Stile von Mark E. Smith zu blubbernden und fiepsenden Beats. Klingt besser, als es sich anhörte.
Nach sehr kurzer Umbaupause stehen sie dann schon auf der Bühne: vier junge Menschen und ein alter Mann. Letzterer ist Sänger Joe Casey und klar der Mittelpunkt mit seinem aggressiv-anklagenden Sprechgesang. Sein Markenzeichen on stage ist ein schwarzes Jackett mit von Biergefäßen ausgebeulten Taschen, in dem er sehr schwitzt. Sein dringlicher Bariton arbeitet sich durch die besten düster-dynamischen Songs der Band. „Make Way“, „Maidenhead“, „Pontiac 87“, „Processed By The Boys“ dürfen nicht fehlen, und als zweite Zugabe wird „The Devil In His Youth” vorgetragen. Die kleine, feine Reisegruppe ist begeistert und verbittet sich jede Begründung.
John Casey gibt die Rampensau. Missgelaunt steht er auf seinem Posten und trotzt dem Sturm des Publikums, wie einst John Maynard in der Ballade von Theodor Fontane, als er den Erie-See überquerte.
„Wer ist Joe Casey?“
„Joe Casey war unser Steuermann,
aushielt er, bis er das Ufer gewann,
er hat uns gerettet, er trägt die Kron‘,
er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.
Joe Casey.“
Altersgerecht um Mitternacht war wieder zu Hause,
Onkel Rosebud