Von Onkel Rosebud (08.12.2024)
Aus männlicher Sicht hat sich für mich die Wiedervereinigung schon wegen drei Personen gelohnt: Neben Matthias Bosenick und Guido Dörheide halten seit Jahren Max Goldt, Blixa Bargeld und Schorsch Kamerun die Stellung in meinen Top 5 der BRD-Schicksale, die ich auch gerngehabt hätte, wäre ich nicht auf der anderen Seite der Mauer geboren. Demzufolge habe ich den drei bekannteren Herren schon sehr oft auf Vorträgen, Lesungen und Konzerten beigewohnt. Insbesondere bei letzterem kann ich mich noch gut an die Weser-Label-Partys Anfang der Neunziger erinnern, wo seine Band von Rocko Schamoni wie folgt angekündigt wurde: „Und nun Schorsch Kamerun, das Arschloch von von den Goldenen Zitronen.“ Selbstredend war es für mich ein innerer Reichsparteitag, an der Veranstaltung „Vierzsch Jahre Goldies – Zauberhafte Ballnacht mit den Goldenen Zitronen und ihren Genoss:innen“ teilzunehmen – zumal auch noch im Conne Island in L.E., dem Epizentrum alternativer Popkultur im Osten der Republik.
Vorab noch einen Einwurf darüber, was die Anhimmelung von Zeitgenossen im unmittelbar familiären Umfeld mit sich bringt. Sie kreiert einen eigene Sprech aus Zitaten von Songtexten. Meine Freundin zum Beispiel kann man nachts wecken, und auf die Frage „nächster Halt?“ würde sie artig antworten „Haltestelle“ (aus „ICE Berthold Brecht“). Geht’s um Urlaubsplanung und sie will in den Süden, fange ich unvermeidlich an zu summen: „Ja, für eine Fahrt ans Mittelmeer, Mittelmeer, Mittelmeer, gäb’ ich meine letzten Mittel her, Mittel her, Mittel her („Wenn ich ein Turnschuh wär“). Und sie knufft mich in die Seite und trällert mit. Leider trieb das auch Blüten, die für Außenstehende schwer nachvollziehbar sind. Einst kehrte meine Tochter von der Schule heim, um mir ihre neue Freundin Mila vorzustellen. Sie schämt sich heute immer noch für meinen Ausruf „Mila, du Psycho“ („Mila“), als ich sie begrüßte. Und klar, ich mich heute auch.
Unerwartet ohne Vorband traten kurz nach 21 Uhr das Arschloch von den Yellow Lemons (bürgerlich Thomas Sehl), Ted Gaier, Enno Palucca an dem Triangel, Stephan Rath, Thomas Wenzel und Mense Reents auf die Bühne und machten einen auf gutgelaunte ältere Herren. Unterstützt wurden sie hier und da von zwei Wegbegleiterinnen: Nixe und Camille O. Es wurde ein Rest-Of ihrer Werkshow abgefeuert. Der „Turnschuh“ kam zur Aufführung, „Porsche, Genscher, Hallo HSV“ vom ersten Album anno 1987 zur Harfe, „Das bißchen Totschlag“ durfte nicht fehlen und „Für immer Punk“ rundete den Abend leider nicht ab. Der Sound war grottig, es feedbackte und pfiff an Stellen, die definitiv nicht dafür vorgesehen waren. Einsätze wurden verpatzt. Ansagen und Texte waren nicht zu verstehen. Das war zu verkraften, weil textsicher, wie ich bin, habe aber nicht mit gegrölt, weil sich das nicht gehört.
Um 2 hing die Hose kalt am Bett.
Onkel Rosebud