







Von Matthias Bosenick (27.04.2025)
„Grüß Gott.“ Wenn man zu einem Black-Metal-Konzert mit diesen dunkel gegrollten Worten begrüßt wird und das auch noch von jemandem, der sich The Devil’s Trade nennt, ist die halbe Messe schon mal gesungen. Kann aber auch daran liegen, dass der ansonsten nicht Deutsch sprechende Ungar einfach eine Menge Zeit mit Würzburgern verbringt, denn er eröffnet für Der Weg einer Freiheit, die auf der Abschlussrunde ihrer finalen Tour zum Album „Noktvrn“ einmal mehr im Wolfsburger Jugendhaus Ost gastieren. Mit ihrer gewürfelten Mischung aus Double-Bass-Geballer und Ambient belegen sie, dass Black Metal durchaus glücklich machen kann. Und das ausverkaufte Ost ist glücklich.
Ein befremdlicher Aspekt ist der Übergang: Eben noch tummeln sich scharenweise gutgelaunte Schwarzgekleidete auf der sonnenüberfluteten Blümchenwiese vor dem Ost, da schlendert die Menge schon erwartungsvoll ins schwarzdunkle, nebelumwogte Ost, um The Devil’s Trade zu erleben. Dabei handelt es sich eigentlich um das Solo-Projekt von Dávid Makó, der ansonsten bei Stereochrist singt und sich für sein viertes eigenes Album „Vidékek Vannak Idebenn“ mit Gáspár Binder einen Schlagzeuger sowie für die Liveumsetzung mit Gábor Tóth einen zusätzlichen Keyboarder dazuholte. Seine Musik ordnet der Budapester selbst irgendwo ab Folk ein, Dark Folk, Indie Folk, sowas, aber auf die Idee würde man heute nicht kommen.
Makós Tracks beginnen sphärisch, sein Gesang – man kennt ihn von „Immortal“, dem Quasi-Hit auf „Noktvrn“ – ist ungewöhnlich hoch, aber kraftvoll, zwar wehklagend, aber nicht jammernd, gar leicht liturgisch. So malmen sich seine Stücke durch das Ost, kombiniert aus einem transparenten Schlagzeug, das jedem Schlag einen klaren Raum gibt, und dronigen Sounds, die sich alsbald steigern und eine Art Doom, vielleicht Sludge ergeben. Man hat leicht die alten Melvins im Kopf, nur nicht so brachial, oder die Swans, wenn sie mal mild-monoton unterwegs waren. Er freue sich, in diesem „legendären“ Ost aufzutreten, versichert Makó in einer Sprechstimmlage, die um vier Oktaven tiefer zu sein scheint als seine gesungene. Dafür schmettert ihm jemand aus dem Publikum vor dem letzten Song ein ehrliches „underrated!“ entgegen, über das er sich offen freut.
Und nun zum Black Metal. Der Weg einer Freiheit bauen sich – mit Ausnahme des Schlagzeugers, klar – mit dem Rücken zum Publikum auf und lassen die Show chillig beginnen. Weil, so wirkt dann die Wucht umso intensiver, wenn der Orkan losbricht: Double-Bass-Schlagzeug, zwei gniedelnde Gitarren, ein fünfsaitiger Bass, bedient überdies von einem Neumitglied, wie wir erfahren; die vier Würzburger wissen, woher der Black Metal kommt, und zeigen ihm neue Wege auf, kombinieren ihn mit Ambient, Prog, thrashigem Groove, lassen immer wieder Spannungen entstehen, die oft überlangen Tracks unerwartete Wege einschlagen – das haben sie The Devil’s Trade mehr als voraus – und das Publikum glücklich grinsend die Pommesgabeln recken.
Unerwartet sind viele der Brüche zumindest, wenn man die Alben hört, denn da lässt sich selten voraussagen, in welche Richtung sich ein Track als nächstes entwickelt, wann der Bruch aus dem Black Metal kommt, welcher Art er sein wird und wie er sich wieder auflöst. Ein bisschen anders verhält es sich indes, wenn man die Band live sieht: Auf der Bühne lassen Der Weg einer Freiheit an bestimmten Bewegungen erahnen, dass sich jetzt etwas an der Musik ändern wird, und das Genick ist schon bereit, den nächsten Break aufzufangen. Man sieht die Band selbst dabei grinsen, gelegentlich sogar posen: Einige Male recken die Saiteninstrumentalisten ihre Gerätschaften siegesgewiss in die Höhe, bedienen die Apparaturen auf heroische Weise, tauschen die Plätze untereinander, um jedem mal die Möglichkeit zur exponierten Mitte zu gestatten, und geben ihrer Musik damit auch noch zusätzliche Kicks. Dieses Grinsen überträgt sich auf die Zuhörerschaft, denn man stellt unweigerlich fest, dass Der Weg einer Freiheit einen Black Metal spielen, der glücklich macht, gerade mit diesen Brüchen und Wendungen, gerade, wenn nach kontemplativen Passagen das Gebrüll wieder losschlägt.
Glücklich auch darüber, dass bereits an dritter Stelle der Hit „Immortal“ folgt, und weil der Gastsänger der Albumversion ja ohnehin als Vorband an Bord ist, übernimmt er jetzt auch live seine Rolle. Dieses trippige, beinahe elektronisch grundierte Stück bricht erst zum Refrain hin in den Metal aus, und echt mal, wenn das die Zukunft des Black Metal ist, dann sieht sie rosig aus. Möglicherweise funktioniert dieses Stück aber auch nur deshalb so intensiv, weil sich sonst keines der Band so anhört.
Glücklich ist das Publikum auch darüber, dass Der Weg einer Freiheit sich nicht bei Tracks von „Noktvrn“ aufhalten, sondern auch ihre Schatzkiste plündern: Ein Stück wie „Eiswanderer“ vom zehn Jahre alten dritten Album „Stellar“ war ewig nicht live zu hören, raunen die Umstehenden anerkennungsvoll, und auch „Aufbruch“ vom Nachfolger „Finisterre“ erfreut die Gefolgschaft, obschon es, anders als es der Titel suggeriert, das letzte Stück vor der Zugabe ist. Diese wiederum gestaltet sich wie ein nur leicht härter gespieltes Stück von Sigur Rós, mit einer ähnlich klaren, hohen Stimme dargeboten, introspektiv verrätselt musiziert und möglicherweise ein Ausblick auf das kommende Album, das die Band für den Herbst ankündigt. Dieses Stück weicht ähnlich vom Black Metal ab wie „Immortal“, da kann man sich nur auf das freuen, was da kommen mag.
Inzwischen ist auch die Blümchenwiese draußen schwarz, es ist stockdunkel und die bestens aufgelegte Gemeinde verlustiert sich vergnügt beim Biere. Auf fällt überdies während der Veranstaltung, wie erfreulich wenige Leute ihre Mobiltelefone in die Luft recken. Man ist doch sehr im Moment, wenn man solche Musik hört. Sonst wäre man ja auch nur halb so glücklich.
[Edit] Die Band klärt auf: „Der letzte Song war „Haven“, der ist auf der Noktvrn. Das Klavierstück/Interlude davor war dagegen tatsächlich ein kleiner Vorgeschmack vom neuen Album“. Danke!