Von Matthias Bosenick (13.06.2019)
Im Projektnamen ist das mittlerweile erweiterte Konzept hinterlegt: Brass Against begannen ihre Karriere damit, die Hits von Rage Against The Machine mit Blasinstrumenten nachzuspielen. Längst erweiterten die New Yorker ihr Repertoire um weitere Neunziger-US-Indie-Hits und holen so das Altstadtfest-Coverband-Feeling in die kleinen alternativen Clubs, sehr zur Freude der Übervierzigjährigen, die die Originalinterpreten nicht live erwischen können. Der Blechblassound pumpt ordentlich, die Sängerin erfüllt den Tatbestand der Rampensau, der Spaß ist abendfüllend und die Frage nach der grundsätzlichen Relevanz von Coverbands immanent.
Bassläufe und Sondereffekte mit Bass-Saxophon, Sousaphon und Posaune nachgespielt, die Gitarren und das Schlagzeug bleiben echt, der Rest kommt von zwei Trompeten: Dergestalt arrangiert, offenbaren viele der zwischen 15 und 45 Jahre alten Hits ihr kompositorisches Genie, allen voran die ohnehin zutiefst beeindruckenden Tool-Stücke. Zwar liegt in den Klassikern von Rage Against The Machine das meiste Mithüpf- und -grölpotential, doch zeigt das Ensemble seine individuellen Fähigkeiten gerade bei den diffizileren Stücken. Und generiert damit nach anderthalb Stunden Best-Of-Andere-Leute-Songs, besonders nach Genuss der Improvisationspassagen, den Wunsch nach Eigenkompositionen, die ähnlich vertrackt und ausgefeilt sind wie die Originale von Tool.
Man feiert mit Brass Against das Erinnern an die eigene Jugend, als Indie-Hits noch auf die Zwölf gingen und nicht so mutlos oder weinerlich-verkaufsorientiert waren wie seit der Jahrtausendwende. Auch als Blaskapelle kriegt man einen fetten Sound hin, das wissen nicht nur Schützenvereinsmitglieder, sondern auch Fans von Funk, Ska oder Balkanbeats. Brass Against bleiben jedoch komplett im US-Crossover-Genre mit dem Schwerpunkt Protestsong. In weiße Overalls uniformiert, schmettern die Musiker gutgelaunt und animierend die Hits der Indie-Ü30-Party, von „Killing In The Name“ von RATM bis „Sabotage“ von den Beastie Boys.
Die beiden jüngsten und eben beeindruckendsten Songs stammen von den Nullerjahre-Alben von Tool. Da übernimmt der dunkel gekleidete Sänger Samuel Hope das Mikrofon, der die Stimme zwar nicht ganz so druckvoll hinbekommt wie Maynard James Keenan, aber die Tracks so performt, als wären es seine eigenen. Ganz ohne Gesang, aber die Qualitäten der Bläserfraktion hervorhebend ist die Umsetzung des ältesten Liedes, „Kashmir“ von Led Zeppelin. Den ursprünglich eigentlich von Männern gesungenen Rest des Sets beschreit Sängerin Liza Colby, die eine Löwenmähne sowie Leopardenmusterunterwäsche trägt und einen adrenalinrauschenden Körpereinsatz zeigt.
Trotzdem ist eigentlich Posaunistin Mariel Bildsten ganz links der heimliche Star des Abends: Nicht nur, dass sie ihr verlängerbares Instrument bisweilen gefährlich nah an den Gesichtern der Leute in der ersten Reihe spielt, auch shoutet sie nach Funk-Art immer wieder Beats mit und skandiert einmal ein politisches Statement. Chef der wechselnd besetzten Gruppe ist Gitarrist Brad Hammond, der die Effekte der Originale zumeist werkgetreu rekonstruiert, wenngleich er sich am „Bow Wow Chicken Bow Wow“-Effekt von Tom Morello aus „Bulls On Parade“ an seinem Wahwah etwas verhebt. Da ist Drummer Nathan Bell weitaus versierter an seinem Instrument: Was er in seinem beeindruckenden hyperaktiven Jazzsolo mit leicht gelangweilt wirkendem Kopfhängen abliefert, weckt den Wunsch, ihn mal zu erleben, wenn er sich anstrengt.
Zu denken gibt die Passage in „Killing In The Name“, in der die Band das Publikum zu Mitmachaktionen aufruft, mit dem Höhepunkt, dass sich alle hinknien und „Fuck you I won’t do what you tell me“-brüllend aufspringen sollen. Was sie auch tun. Man fragt sich, ob alle Beteiligten das Paradoxon erkannt haben.
Und dann gibt es ja noch die grundsätzliche Diskussion um Sinn und Unsinn von Coverbands. Sie sind eine erschwingliche Alternative zu den aufgelösten, verstorbenen, selten tourenden oder überteuerten Originalen und transportieren die Erinnerung an die musikalische Adoleszenz des Publikums mit im Idealfalle halbwegs eigenen Mitteln, in diesem eben mit Blasinstrumenten. Die aufführende Band definiert sich ausschließlich über bereits etablierte Erfolge anderer Künstler, die eigene Leistung ist das Nachspielen und vielleicht – wie hier ausnahmsweise – das Umarrangieren der Hits. Bei Brass Against erzeugt das die Vorstellung von Altstadtfestbühnen mit einem für derlei Szenerien ungewöhnlichen Indieprogramm und hinterlässt einen bierfaden Beigeschmack. So richtig nachhaltig als Coverband interessant blieb bislang außer Eläkeläiset kaum eine Band, die Konzepte nutzten sich bald ab; man darf gespannt sein, wie sich dies bei Brass Against verhalten wird.
Ideengeber für dieses Projekt war vermutlich ein Youtube-Video, das eine riesengroße Highschool-Brassband dabei zeigt, wie es in zwei Minuten ein explosives RATM-Medley in eine Schulsporthalle drückt. Da geht die Luzie sowas von ab, und so wollen es auch die personell zwar kleiner, aber für sich noch groß besetzten Brass Against für die Clubs dieser Welt umsetzen. Mission vorerst erfolgreich.