Von Matthias Bosenick (16.06.2014)
Dieser Artikel ist auch auf Stefanie Krauses Blog Kult-Tour Braunschweig veröffentlicht.
Endlich wieder Festival Theaterformen! Zwar sieht sich der Rezensent keine der Theateraufführungen an, freut sich aber über das kostenlose Livemusikbegleitprogramm. Das ist wie jedes Mal von erlesener Qualität, grob im Indie angesiedelt, aber nicht im Hipster-Alternative, sondern von gutem Geschmack, auch wenn man den nicht bis ins Detail teilt. So verpflichteten die Organisatoren dieses Mal unter anderem Automat, das Projekt von Jochen Arbeit, bekannt von Die Haut und Einstürzende Neubauten, Achim Färber, der schon bei Project Pitchfork, Phillip Boas Voodooclub und den Krupps mitmischte, sowie Georg Zeitblom von Sovetskoe Foto. Die drei machen nicht, was man bei der Bandaufzählung erwarten würde: sondern Dub. Die Meute tanzt.
Man wundert sich, dass keine Grasschwaden über das atmosphärische Festivalgelände ziehen. Okay, Automat sind zwar dubbig, aber eigentlich einen Tuck zu schnell fürs entspannte Kiffen. Aber genau im richtigen Tempo fürs entspannte Tanzen. Achim Färber gibt den Takt vor, und er hat eine Menge zu tun da an seinem Schlagzeug, und wie es sich für den anständigen Dub gehört, liegt auf manchen Snares mal ein Hall. Kommt gut, so live. Zeitblom wirft den Bassmotor an und legt Dub-Teppiche reinsten Wassers. Die beiden allein sind schon ein Genuss, wenngleich das, was sie da fabrizieren, naturgemäß im Rahmen des Vorgegebenen altbekannt ist, weil am klassischen Dub nun mal nicht allzuviel zu rütteln ist. Aber da macht sich ja noch einer ordentlich Arbeit. Hinter einer Armada an auf den Boden genagelten Effektgeräten legt sich Jochen Arbeit seine Gitarre zurecht und streut avantgardistische Noise-Elemente in den laufenden Dub ein. Erstaunlicherweise klingt das Grundgerüst fast elektronisch, obwohl man die Herren an den Instrumenten sehen kann. Arbeits Arbeit bricht wie eine atmosphärische Störung dazwischen und holt den Dub damit heraus aus dem Klassischen.
Humor und Stil haben die drei: Ansagen gibt es nämlich keine, nicht mal eine Begrüßung oder einen Abschied, geschweige denn einen Dank. Lediglich anstelle einer zweiten Zugabe lässt einer der drei unverstärkt die Information los, dass es aus Lärmschutzgründen keine weitere Zugabe geben dürfe. Der Qualität des Konzertes macht die Schweigsamkeit keinen Strich durch die Rechnung, ist doch die Musik selbst auch rein instrumental, wenn auch nicht auf dem Album. Vielmehr lassen sich die Körper vor der Bühne mitreißen, die der kulturinteressierten Braunschweiger ebenso wie die der in Sachen Körperbeherrschung sichtbar geschulten Theaterschauspieler. Bewundernswert!
Zur Atmosphäre am Gartenhaus Haeckel gehören nicht nur das kostenlose Konzert und das stets unverabredete Wiedersehen der Gleichgesinnten. Der Bierwagen ist liebevoll geschmückt, Lampions und Girlanden zieren den Gartenbereich zum Wall hin, Klappstühle und Tische laden zum Verweilen ein, man bleibt auch nach Ende des Konzertes noch gern dort im Park. Fein! Mittwoch spielt Jacques Palminger. Hin!