AAA: Anders als alle – Live-Revue im Kulturzentrum Hallenbad, Wolfsburg, am 17. Oktober 2014

Anders als alle Anders als alle Anders als alle
Anders als alle Anders als alle Anders als alle

Von Matthias Bosenick (19.10.2014)

Darauf haben alle gewartet: Nach Jahren der Stille spielten Halle 54 ein paar Stücke im Kino des Hallenbads, dem früheren Kaschpa. Da ging die Meute ab. Hingebungsvoll und ausgelassen feierten sie die einzige – da muss das Wort erlaubt sein – Kult-Punkband Wolfsburgs. Der Bedarf nach mehr ist da, so viel ist sicher. Doch das Quartett hielt sich reduziert. Denn eigentlich stand etwas ganz anderes im Mittelpunkt: Bassist Chrisz Meier feierte mit Wegbegleitern sein 35-jähriges Bühnendasein. Es war für alle Beteiligten – natürlich – wie ein Klassentreffen. Herrlich.

Solche Galaveranstaltungen haben den Zweck, eine Person zu feiern – bei Chrisz Meier war es zunächst anders: Er ließ sich anständig durchbeleidigen. Das Rockliteratentrio Read ‚em All berichtete offenherzig von einer Lesetour, die Chris im Emsland organisiert hatte. Frank Schäfer, Till Burgwächter und Axel Klingenberg waren dabei nicht zimperlich, aber da Chrisz Meier dies ebenfalls nicht ist, waren Freude und Anerkennung auf beiden Seiten offenkundig. Und das Gelächter sowieso.

Dann kam der Geehrte auf die Bühne. Zunächst mit einem Trio mit Bass, Schlagzeug und Gesang, alle im feinen Maleroutfit, ohne den Bandnamen zu nennen – weiß der Geier, welche Honkas das waren. Nick-Cave-Lookalike Müller gesellte sich bald mit der Gitarre dazu, und damit begann der wohlchoreographierte Galaanteil: Schnell wechselten die Musiker sich aus, und es musizierte Meiers aktuelle Band, die Swing-Schlager-Stonerrocker Müller & die Platemeiercombo. Mit denen spielte Meier alte Gassenhauer, darunter in einer Live-Premiere das Titelstück des Albums „Der Mensch am Ende des Holozän“, sowie viele neue Stücke, die sich zum Teil auf dem zurzeit in Produktion befindlichen nächsten Album „Castafiore“ finden sollen. Einen Teaser dazu stellte das neue Musikvideo zu „7 Drinks, 6 Stunden Schlaf“ dar, das die Band zwischenzeitlich zeigte. Auch einige Grußworte von abwesenden Freunden strahlten die Gastgeber per Video aus.

Weiter ging’s mit absurdem Country von Hilter der Privatmann, mit Hitte am Mikro und Daniel Heizmann als Pappaufsteller. Im shakespeareerprobten Fliegenpilzkostüm gesellte sich Hittes Bruder Gero, Sänger von Grass Harp, dazu. Müller übernahm dann wieder das Ruder, begleitet von Gästen wie Sven Weida, der auch auf dem kommenden Album den Song „Keine Rose ist keine Rose“ am Piano begleitet. Und wieder griff der Gala-Mechanismus: Zug um Zug wechselten sich die Musiker aus, bis nach vier Songs eben die Komplette Band Halle 54 auf der Bühne stand. Ein dramaturgischer Meisterkniff.

Nach dem tosenden Jubel fragte Sänger Uwe Meyer gewohnt koddrig: „Das mögt ihr? Ihr habt einen Scheißgeschmack.“ Und den feierte das Publikum. Standen die Gäste zuvor mit respektvollem Abstand breit grinsend vor der Bühne, füllten Horden von Ausgelassenen diesen Raum schnell bei den viel zu wenigen Halle-54-Stücken. Die Stimmung erinnerte an eine vergleichbare Gala vor fünf Jahren, als 15 Bands am selben Ort den Trottelkackern Tribut gezollt hatten – auch darin war Meier verwickelt gewesen, Müller sowieso. Die Gäste hatten sich in ihre Jugend zurückversetzt gefühlt, überall hatten Augen von Mittvierzigern geleuchtet. Bei Halle 54 nun gab es keine Gelegenheit zum Leuchten, so energetisch rockten die Fans die Songs mit.

Nach ein paar weiteren Müller-Songs war dann Schluss, die Party sollte sich im Sauna-Klub eine Etage tiefer fortsetzen. Tat sie nicht sofort: Selbst im hellen Saallicht blieben die Menschen stehen, holten sich an der Theke Bier, diskutierten das Gesehene und vor allem das damals Erlebte. Wer hat welche der fast sprichwörtlich erfolglosen Meier-Bands gesehen, wer sogar in ihnen mitgespielt, wer hat das „Meine Hölle“-Vinyl, von dem es neben der neuen Zwölf-CD-Werkschau am Merchandise-Stand noch zwei Exemplare zu erwerben gab, ausgegeben vom früheren Moonbean-Records-Chef Robert persönlich. Überall sah man die Leute glücklich grinsen. Ein Klassentreffen, fürwahr. Eine gute Idee zudem, den Älterwerdenden alle fünf Jahre eine vergleichbare Gala im Hallenbad zu bieten. Der Anlass ist egal, 35 Jahre Chrisz Meier auf Bühnen, Die Trottelkacker – die Leute kommen ganz bestimmt und feiern ihre Jugend.