Von Guido Dörheide, Onkel Rosebud und Matthias Bosenick
Die drei maßgeblichen KrautNick-Autoren beginnen damit, die im vergangenen Jahr begonnene Rückblick-Idee zu einer Tradition werden zu lassen, und befassen sich mit allelei Begebenheiten aus dem Jahr 2024.
Guido Dörheide
Persönliches Event
Mein Umzug von Braunschweig nach Clausthal-Zellerfeld Ende Januar. Nach – mit Unterbrechungen – 25 Jahren in BS sind das zwar nur gut 70 km für die Menschheit, aber ein gigantischer Hüpfer für den Rezensenten und sein kleines rotes Auto. Dank mobilem Arbeiten aber super zu bewerkstelligen und die Liebste und ich sehen uns jetzt nahezu täglich und nicht mehr nur alle paar Wochenenden, je nachdem, wie es der Dienstplan hergibt. Und zweimal pro Woche BS mit den Augen eines Außenstehenden ist durchaus charmant. Und was soll ich sagen? CLZ ist klasse, die Wohnung ist supergemütlich und riesengroß und die Liebste und ich finden es immer noch klasse, uns gegenseitig die Frage „Was machst Du denn hier?“ mit „Ich wohne hier!“ zu beantworten und uns dann zu freuen.
Song
Diese Disziplin kann ich einfach nur verkacken, es sind einfach zu viele Lieder, die mir gefallen haben. Dadurch, dass ich drei Songs auswähle, mache ich es weder besser noch die Auswahl gerechter, aber sei’s drum:
Neon Nightmare – LATW2TG
Laughing all the way to the Grave – hier werden frühe Sabbath mit Type O Negative verknüpft, abwechslungsreich auf knapp 8 Minuten ausgewalzt – könnte ich die ganze Zeit hören.
Chat Pile – Camcorder
Ein weiteres langes Stück – knapp sechseinhalb Minuten, genau gesagt. Chat Pile aus Oklahoma City machen Sludge Metal und haben mit „Cool World“ heuer erst ihr zweites Album veröffentlicht, dafür aber haufenweise Singles, EPs und einen Film-Soundtrack. Sänger Raygun Busch singt irgendwo zwischen aggressiv und gelangweilt, hat dazu eine tolle Stimme, das Schlagzeug ist schön wuchtig, der Bass knarzt und bollert, die Gitarre ist eher im Noise Rock zuhause und dazu gibt es richtig lange Texte mit schön was zum Entdecken drin. „Camcorder“ beispielsweise ist rein fiktional und orientiert sich an dem Film „Henry, Protrait Of A Serial Killer“, während andere Songs auf dem Album den realen Horror im Gaza-Streifen behandeln.
Oranssi Pazuzu – Ikikäärme
Klar, dieser Song der finnischen Psychedelic-Black-Metal-Dark-Ambient-Avantgarde-Band hat es in die Liste geschafft, weil er a) lang ist und b) finnische Lyrics hat, auf die ich daher mangels Sprachkenntnissen nicht eingehen muss. Außerdem ist der Song großartig: Minutenlang klimpern und knarzen sich Klavier, Synths, Bass und Schlagzeug in den Song hinein, dazu Geräusche aus wahlweise einem Horrorfilm oder einem Schlachthaus und Leadvocalist Jun-His Vanhanen erinnert an alte Bauhaus- und Christian-Death-Zeiten, als letztere noch gut waren. Irgendwo kurz vor der 5-Minuten-Marke explodiert der Song dann, aber irgendwie so, als täte er das innerhalb eines Betonmantels, Vanhanen krächzt jetzt eher Black-Metal-mäßig, Struktur und Melodie bleiben aber erhalten. So zum Beispiel könnten sich Imperial Triumphant anhören, wenn sie sich auch nur einen Scheiß für Hörbarkeit und Eingängigkeit interessierten. Die Stimmung ist auf jeden Fall ähnlich, sie ist komplett im Arsch, aber großartig.
Peinlichstes Lieblingslied
Helloween – Dr. Stein (Live at Budokan)
Ich weiß nicht, was genau hier jetzt die Peinlichkeit ausmacht – dass ich immer noch (bzw. seit einigen Jahren wieder) Helloween höre – seinerzeit der neueste heiße Scheiß unter uns 14Jährigen, die „Keeper Of The Seven Keys Part I“ auch dann noch für das Größte hielten, nachdem uns Queensrÿche ein Jahr später mit „Operation: Mindcrime“ gezeigt hatten, wie sich ein wirklich perfektes Konzeptalbum anhören kann – mir ausgerechnet das alberne „Dr. Stein“ vom „Keeper – Part II“-Album immer noch so viel Spaß macht oder – schlicht die vielen Kürbisse?
Drauf geschissen: Auch nach über 25 Jahren sorgt der Song für gute Laune und es erfüllt die Hörenden mit Rührung, zu hören, wie viel Spaß die Band mitsamt den glücklicherweise vor einigen Jahren in die Band zurückgekehrten Ehrenmitgliedern Kai Hansen (sogar Gründungsmitglied) und Michael Kiske (genau wie Iron Maiden verfügen Helloween seit dieser Doppelrückkehr über drei Gitarristen, anders als diese haben sie seitdem aber mit Hansen, Kiske und Andi Deris auch drei (3!) Lead-Sänger) bei ihrer Arbeit. Allein schon die Anmoderation ist Weltklasse: „Toookyyyooooooo! This one is called ‚Doctor Steeeeiiiiiiiin‘!!!“ Man kann diesen Jungs nicht böse sein, und beim Refrain singt die ganze Nippon-Budōkan-Halle mit. Watt schöön!
Album
The War On Drugs – Live Drugs Again (13.09.2024 – Super High Quality Records)
Nennen Sie es Masochismus, nennen Sie es schlechten Geschmack, aber da ich mich seinerzeit nach „The Joshua Tree“ aus dem U2-Fantum verabschiedete und folglich deren Metamorphose von der hart arbeitenden Beschissene-Frisuren/Gute-Musik/Korrekte-Haltung-Band zu DEN gefeierten Stadion-Rockern für Erwachsene der 90er und 2000er komplett verschlafen habe (ich bin dann erst nach knapp 30 Jahren wieder eingestiegen, weil ich Bock hatte, mal wieder „War“ und „The Unforgettable Fire“ zu hören, und seitdem bin ich auch von der Stadionphase mehr als angetan), suche ich seitdem wohl unbewusst nach dem nächsten wirklich großen Ding, das diesen Schritt vollzieht, und ich bin dabei. Vor Jahrenden dachte ich ernsthaft, Coldplay könnten das schaffen (Sie können sich vorstellen, wie viele Therapiestunden es gebraucht hat, mit dieser wahrlich dunklen Phase meines Musikgeschmacks letzten Endes meinen Frieden zu machen), und als die es versemmelten, dachte ich, nicht mal Chuck Norris und der unglaubliche Hulk können das schaffen. Und nun schaffen es The War On Drugs, mich in denselben euphorischen Zustand zu versetzen, wie es U2 damals mit „Achtung Baby“ getan hätten, wenn ich das Album damals bloß mal gehört hätte.
Anfangs war ich allerdings skeptisch, weil hier nach „Live Drugs“ (2020) nunmehr schon das zweite Livealbum in kurzer Folge vorgelegt wird, mit nur einem Studioalbum („I Don’t Live Here Anymore“, 2021) dazwischen. Also kurz „Was soll das?“ gefragt, aufgelegt und verstanden, warum das eine gute Idee war: Die Band um Adam Granduciel (der Nachname ist eine augenzwinkernde Übersetzung seines ursprünglichen Nachnamens Granofsky ins Französische) ist mit „I Don’t Live Here Anymore“ sehr gereift, während mich TWOD auf früheren Veröffentlichungen auch gerne zwischendurch mal gelangweilt haben (was sie mit dem nach dem ersten Album ausgestiegenen Bandmitgründer Kurt Vile gemeinsam haben), enthielt das neueste Studioalbum für mich ausschließlich begeisternde Hymnen, an denen ich mich nicht satthören konnte. Und so trifft es sich hervorragend, dass „I Don’t Live Here Anymore“ auf „Live Drugs Again“ gleich mit fünf Titeln vertreten ist. Das Album beginnt mit „Harmonia’s Dream“ von eben diesem jüngsten Studioalbum, das für „Live Drugs Again“ von ohnehin schon üppigen sechseinhalb auf knapp 10 Minuten erweitert und mit einem komplett neuen, synthetisch pluckernden Intro versehen wird. Und Granduciel singt wesentlich packender als in der Studioversion: Er beginnt ähnlich, aber je mehr sich die Intensität des Stücks nach und nach steigert, umso intensiver wird auch der Gesang. Und er klingt irgendwie getriebener und heiserer als im Studio. Die Songauswahl deckt die Jahre von 2014 bis 2021 ab und mit „Under The Pressure“ ist nur ein Song vertreten, der es auch schon auf „Live Drugs“ geschafft hatte. „Under The Pressure“ ist auch der apselute Höhepunkt des Albums: Mit nochmals gegenüber dem 2014er Original und der 2020er Live-Version verändertem Intro baut sich der 11-Minuten-Song langsam auf, bis nach über zwei Minuten erstmals Granduciels wieder mal heisere, hohe Stimme ertönt. Klavier, Synth und ein wenig Gitarre tragen den Song weiter und weiter, bis nach viereinhalb Minuten ein psychedelisches und leicht schrammeliges Zwischenspiel ertönt, währenddessen sich die Gitarre langsam in ein zurückgenommenes Quietschen und Jaulen steigert, das nach knapp sechs Minuten richtig Fahrt aufnimmt und gemeinsam mit Granduciels jetzt fast schreiendem Gesang ein wahres Pandämonium entfacht, von dem man sich wünscht, es möge so schnell nicht enden. Das ist hymnisch, das ist hypnotisch, das ist großartig. Am Ende lässt die Band das eben gehörte lange unter Zuhilfenahme diverser Gitarreneffektgeräte eindrucksvoll ausfaden, um dann noch den mit „I Don’t Live Here Anymore“ betitelten Titelsong des 2021er Albums „I Don’t Live Here Anymore“ hintendranzuhängen (mit der Aufforderung „Put your hands together“ und Bandvorstellung am Anfang, wobei man dem krächzenden und kreischenden Granduciel den Spaß an der Veranstaltung deutlich anhört), einen der besten Songs des Albums und ein stimmungsvoller Abschluss eines wunderbaren Live-Albums.
Konzert
Hier mache ich es mir mal sehr leicht und verweise auf zwei Veranstaltungen, die ich dereinst ausführlich auf www.krautnick.de besprach:
- Tom Jones am 14. August auf der Gilde-Parkbühne zu Hannover, direkt neben dem Austragungsort der Heimspiele von Hannover 96, dem Niedersachsenstadion, gelegen, in der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover, und
- The Twang – Western Wonderland am 14. Dezember in der Brunsviga in der zweitgrößten Stadt (und gleichzeitig größten Löwenstadt) Niedersachsens, in Braunschweig.
Wenn Sie, liebe Lesenden, in Erwägung ziehen, 2025 ein Konzert zu besuchen, stellen Sie sicher, dass es am 14. eines Monats stattfindet.
Kinofilm
Die Fotografin (Ellen Kuras, 2024)
Der Film mit einer hervorragenden Kate Winslet in der Hauptrolle erzählt die Geschichte der Kriegsfotografin Lee Miller und widmet sich dabei nacheinander dem Leben einer hedonistischen Bohème in den frühen Dreißiger Jahren, dem idealistischen Ehrgeiz einer mutigen Frau, Kriegsfotografin zu werden, den Schrecken des zweiten Weltkriegs, der Befreiung von Konzentrationslagern und der Unfähigkeit der Hauptfigur, in den Nachkriegsjahren eine funktionierende Beziehung zu ihrem Sohn aufzubauen. Am Ende wird klar, dass das Gespräch zwischen Mutter und Sohn, das den Rahmen der Filmerzählung bildet, in Wahrheit niemals stattgefunden hat. Verstörend, berührend, spannend, lehrreich und mit großartigen Bildern in Szene gesetzt.
Serie
Hier muss ich knapp 30 Jahre in der Geschichte zurückgehen, da ich 2024 keine aktuellen Serien verfolgt habe. Die Liebste und ich haben aber zahlreiche schöne DVD-Abende damit verbracht, uns gegenseitig unsere Lieblingsserien zu zeigen, witzigerweise beide von David E. Kelley:
Picket Fences – Tatort Gartenzaun (1992 – 1996)
In den 90er Jahren lag ich dereinst krank im Bett und erinnerte mich an die Worte meines Freundes Thomas, wonach „Raumschiff Enterprise – das nächste Jahrhundert“ die beste Fernsehserie überhaupt wäre. Passenderweise lief sie damals nachmittags auf Sat1 und ich war bis zum Wochenende ans Bett gefesselt. Enterprise TNG wurde zum Höhepunkt meines Tages. In der folgenden Woche zeichnete ich dann jede Folge auf VHS auf, sicherheitshalber immer mit 10 Minuten Vor- und Nachlauf. Vor TNG lief „Picket Fences“, von dem ich also vor jeder neuen Folge um Captain Picard, Lt. Commander William T. Riker, Doctor Beverly Crusher und Ship Counselor Deanna Troi die letzten zehn Minuten mitbekam. Und dann unbedingt herausfinden wollte, was vor diesen letzten zehn Minuten geschah. Einige Wochen später startete „Picket Fences“ auf Sat1 von Neuem und ich konnte mir alle Folgen in chronologischer Folge ansehen.
Voller Angst, meine knapp 30 Jahre zurückreichende Erinnerung könnte mir einen Streich gespielt haben und „Picket Fences“ wäre der letzte Scheiß, bestellte ich eine umfangreiche DVD-Box mit allen vier Staffeln und sah sie mir gemeinsam mit der Liebsten an. Und wir waren begeistert: Abgesehen von einigen patriarchalischen Entgleisungen, wie sie in den 90er Jahren noch gang und gäbe waren, ist die Serie verdammt gut gealtert: Alle denkbaren gesellschaftlich bedeutsamen Thematiken werden hier abgehandelt, von spontaner menschlicher Selbstentzündung über Kuhflatulenzen, dem Verpflanzen von Schweineherzen in den Menschen, Terrorismus, Transsexualität, religiösem Wahn bis hin zu Mord mittels einer aus ungeklärter Ursache auf dem eigenen Grundstück abgestellten Dampfwalze. Die Serie ist angefüllt mit skurrilen Figuren wie dem angeblich nekrophilen, ständig nach Spermaspuren suchenden und in der Liebe unglücklichen Chefpathologen Dr. Carter Pike, dem mit allen Wassern gewaschenen und gleichzeitig skrupellosen und liebenswert-warmherzigen jüdischen Anwalt Douglas Wambaugh, dem weisen und grantigen Richter Henry Bone und der taubstummen Bürgermeisterin Laurie Bey mit der kriminellen Vergangenheit, um nur einige zu nennen. Unser Fazit nach 88 Folgen: Die Ärztin Jill Brock (die ich damals in den 90ern als moralisch okaye Vorbildfigur wahrgenommen hatte) ist eine unerträglich selbstgerechte und scheinheilige Heuchlerin, die einzige Serienfigur, die in fast jeder Situation vorbildlich und moralisch konsistent handelt, ist deren Stieftochter Kimberley Brock (deren Darstellerin später in „Charmed“ noch ganz groß rausgekommen ist – eine tolle Serie mit einem noch tolleren Soundtrack).
Ally McBeal (1997 – 2002)
Meine Kollegin Sandra damals im Wolfsburger Klinikum schwärmte mir schon immer von ihrer Lieblingsserie „Ally McBeal“ vor. Allein Sandras Begeisterung für ein dort auftretendes „tanzendes Baby“ hielten mich damals davon ab, mir die Serie mal anzuschauen.
Und dann eröffnet mir die Liebste, „Ally McBeal“ sei ihre Lieblingsserie, sie habe alle fünf Staffeln auf DVD und würde sie gerne mal mit mir zusammen ansehen. Das taten wir, und ich bin begeistert. Für das tanzende Baby kann ich mich immer noch nicht begeistern, was aber nicht weiter schlimm ist. Auch „Ally McBeal“ (die Serie) ist ein Kind der späten 90er, angefüllt mit nicht hinterfragten patriarchalischen Sexismen, aber eben auch genauso angefüllt mit gesellschaftlich relevanten Fragestellungen, die sich hierzulande erst Jahrzehnte später ergeben haben. In der Hauptsache geht es um sexuelle Diskriminierung, ein Themenfeld, auf das sich die Bostoner Anwaltskanzlei Cage & Fish, für die Ally arbeitet, spezialisiert hat. Diese wird – wenn auch teilweise in haarsträubender Art und Weise – tatsächlich aus allen nur denkbaren Blickwinkeln gezeigt und am Ende siegt meistens eine Moral, die auch heute noch vertretbar ist. Wie schon bei „Picket Fences“ fährt David E. Kelley auch hier ein Arsenal an liebenswerten Originalen auf, allen voran „Das Gummibärchen“ John Cage, einer der beiden Partner bei Cage & Fish, ein brillanter Anwalt, der aus seinen Macken keinen Hehl macht und den man einfach die ganze Zeit nur knuddeln möchte. Eine Beziehung zwischen ihm und Ally, die ich mir die ganze Serie über gewünscht habe, kommt leider nicht zustande, obwohl beide sehr ähnlich sind, allein es funkt nicht richtig zwischen ihnen. Für ein besonderes Aha-Erlebnis sorgte der zweite Kanzlei-Partner, Richard Fish, in der deutschen Synchronisation: Er redet wie Justus Jonas von den Drei Detektiven und wird tatsächlich von Oliver Rohrbeck gesprochen. Seine „Fishismen“ strotzen nur so von machohafter Dümmlichkeit, dennoch musste ich auch Richard einfach mögen, da er trotz aller Borniertheit ein gutes Herz hat und immer dann, wenn man es von ihm am wenigsten erwartet, etwas richtig Herzerwärmendes sagt oder tut. „Ally McBeal“ (die Serie) besticht neben Ally McBeal (der Hauptfigur), die ehrlich gesagt überhaupt nichts auszustehen hat und stattdessen von Luxusproblemen und der Frage „Wie finde ich den Mann fürs Leben?“ geplagt wird, aber dennoch unendlich liebenswert ist, durch eine wahre Armada an Neben- und Gastdarstellern wie Robert Downey jr., Lucy Liu, Courtney Thorne-Smith, Hayden Panettiere (sehr großartig als Allys 10jährige leibliche Tochter), Tracey Ullman, John Bon Jovi (unglaublich in seiner Rolle als Handwerker und Problemlöser in alles Lebensfragen), Christina Ricci, Kathy Baker (die unmögliche Dr. Jill Brock aus „Picket Fences“), Kate Jackson, Farrah Fawcett (hihi, zusammen mit Lucy Liu sind hier also tatsächlich drei Engel für Charlie zu sehen, quasi generationenübergreifend), Dame Edna Everage, Anne Heche („Platsch – Pfannekuchen!“, selten wurde das Tourette-Syndrom unterhaltsamer dargestellt, pups!), Robert Picardo, Heather Locklear und viele andere mehr.
Ebenfalls sehr ansprechend ist die Musik in der Serie – angefangen mit Vonda Shepards Titelsong „Searchin’ My Soul“ über Shepards übrige Songs, oft sehr schöne Coverversionen, bis hin zu den zahlreichen Gastauftritten von Barry White, Anastacia, Sir Elton John, Al Green, Randy Newman etc.
Hinzu kommt die heimelige Darstellung von Boston, MA, wo anscheinend immer Weihnachten ist. Auch das machte „Ally McBeal“ zu einer prima Untermalung der Weihnachtszeit 2024.
Buch
Freida McFadden – The Boyfriend (2024, Poisoned Pen Press)
Die Filiale einer großen, im nordrhein-westfälischen Hagen (Sitz der bekannten und beliebten FernUniversität in Hagen, an der der Rezensent zehn lehrreiche Jahre seines Lebens verbracht hat) beheimateten Buchhandlungskette in Göttingen verfügt über eine gut sortierte Abteilung mit englischsprachiger Literatur. Wenn wir die Stieftochter besuchen, suche ich dort immer nach Titeln mir bekannter Schriftsteller:innen, die noch nicht in deutscher Übersetzung vorliegen. Nachdem ich von Freida McFaddens „The Housemaid“-Reihe überaus begeistert war, freute ich mich umso mehr, dass die beängstigend produktive Schriftstellerin (mehr als 25 Bücher in 11 Jahren und nebenbei noch als Ärztin tätig) mit „The Boyfriend“ am 1. Oktober einen weiteren Thriller veröffentlicht hat. Darin geht es um die sympathische New Yorkerin Sydney, die mit Anfang 30 per Online-Dating ihren Traumpartner sucht. Nach anfänglichen Rückschlägen, die humorvoll und beängstigend geschildert werden, lernt sie mit Tom den tatsächlichen Mr. Perfect kennen. Gleichzeitig treibt aber ein Serienkiller in NYC sein Unwesen, der seine Opfer beim Online-Dating kennenlernt. Den Lesenden, die immer abwechselnd Sydneys Schilderung der Jetzt-Zeit und Toms Bericht über seine Vergangenheit zu lesen bekommen, ist schnell klar, dass Sydney mit Tom ihren Mörder getroffen hat. So ganz falsch liegen Leserin und Leser damit nicht, aber McFadden wäre nicht McFadden, wenn es so einfach wäre. Die Auflösung war für mich ein apseluter „Ach Du Scheiße, das hätte ich nicht gedacht“-Moment, alle auftretenden Charaktere werden so toll beschrieben, dass man sich trotz der obwaltenden Begleitumstände in dem Roman immer zuhause und immer gut aufgehoben findet, und das Ende ist wieder mal ein typisches böses Freida-McFadden-Happy-Ending. Und die Sprache ist lebhaft und locker und auch für Nicht-Muttersprachler gut verständlich, ohne ständig ein Wörterbuch neben sich liegen haben zu müssen. Im Dezember 2025 soll „The Boyfriend“ unter dem Titel „Der Freund“ in deutscher Übersetzung erscheinen, wieder mit dem von der „Housemaid“-Reihe bekannten wunderschönen farbigen Gestaltung. Wer solange nicht warten kann, sollte gerne bei der Originalausgabe zugreifen.
Podcast
Quarks Science Cops – Der Fall Zara Secret: Abzocke und Verschwörung (seit 03.08.2024 in der ARD-Audiothek)
Zu den Podcast-Reihen, die ich gerne im Fahrzeug zwischen dem Harzgebirge und der Löwenstadt höre, gehören die „Quarks Science Cops“. Dort klären die WDR-Wissenschaftsjournalisten Jonathan Focke und Maximilian Doeckel alle zwei Wochen über (un)wissenschaftlichen Unsinn und Sciencewashing auf und erklären die zugrundeliegenden Mechanismen. Bisher habe ich noch nichts von den beiden gehört, das mich nicht überzeugt hätte, zum Beispiel die vierteilige Serie über Anthroposophie feiere ich sehr, aber die Zara-Secret-Folge hat mich so erschüttert, dass ich sie stellvertretend für alle anderen Folgen hier in den Jahresrückblick aufnehme.
Zara Secret ist eine unter anderem durch YouTube und Instagram bekannte Influencerin, die beispielsweise Glaskugeln verkauft, die dem Trinkwasser zu bis dahin ungeahnten Qualitäten verhelfen und die mal eben knapp 400 EUR kosten (dafür aber 30.000 Jahre halten!). Das klingt erstmal nur nach harmlosen Verkauf von überteuerten Artikeln an gutgläubige Follower:innen. Wobei ich mich wunderte, wie eine Influencerin, die sich nicht einmal ansatzweise die Mühe macht, drei Sätze in Folge grammatikalisch geradeaus zu sprechen, sondern der es einzig und allein darauf anzukommen scheint, besonders schlau, angepisst und selbstgerecht rüberzukommen, so erfolgreich sein kann. Für mich hört sich Zara Secret an, als versuche sie, ihr Publikum durch geschliffene Rhetorik zu beeindrucken. Das Ergebnis ist eine ausgewogene Mischung aus Betroffenheitsrhetorik, Marketing-Sprech und reinem Dilettantismus.
Aber Zara Secret will nicht nur Sachen verkaufen, sondern auch ein Weltbild. Dabei beruft sie sich auf rechtsesoterische Verschwörungstheoretiker, schießt gegen die gleichgeschalteten Medien, die „Scheißgesetze“, die angeblich verbieten, dass sie den Wirkmechanismus ihrer Glaskügelchen offenlegt (in Wirklichkeit verbieten diese Gesetze ihr nur, haltlose Heilsversprechen zu machen), und schießt gegen jeden, der ihre kruden Thesen anzweifelt.
Wie da eins zum andern kommt und am Ende wählt man blau und fühlt sich von grün unterdrückt, dabei wollte man doch eigentlich nur sein Glas Wasser ein Stück weit aufpeppen. Und da man sich diesen Kram selber aus Zeitgründen gar nicht anhören kann, bin ich dankbar für jede neue Science-Cops-Folge, die nicht nur saumäßig interessant, sondern auch witzig und unterhaltsam sind, ohne sich dabei über diejenigen lustig zu machen, die durch unwissenschaftlichen Unsinn aufs Kreuz gelegt werden.
Gestorben und betrauert
Frank Z.
Wayne Kramer.
Damo Suzuki.
R.P.S. Lanrue
Caterina Valente.
Kris Kristofferson.
Paul Di’Anno.
Günter Fink.
Friedrich Knapp.
Jim Abrahams.
Hans Hammerschmid.
Hermes Phettberg.
Jimmy Carter.
Onkel Rosebud
Persönliches Event
Mein Vater und mein Schwiegervater sind innerhalb von reichlich 3 Monaten mit den gleichen Symptomen von meiner Familie und mir gegangen – der Eine mit 20 Jahren Anlauf, der Andere quasi über Nacht. Im Zuge dieser traurigen Angelegenheit habe ich zum ersten Mal an einer Seebestattung teilgenommen. Es war – wie soll ich sagen – eine tolle Erfahrung und mein Ereignis des Jahres. Dem Anlass würdig, emotional positiv, und dabei über das offene Meer zu schauen lässt die Trauer besser ertragen als in ein Loch in der Erde zu gucken.
Song
Everthing Everthing „Cold Reactor“(BMG)
Everything Everything ist eine britische Avantgarde-Band von ehemaligen Studenten der Musikwissenschaft, die seit 2010 in schöner Regelmäßigkeit erstaunliche Alben raushauen. In „Cold Reactor“, der ersten Single von der diesjährigen Erscheinung „Mountainhead“, geht es um das Streben nach einer fortschrittlichen Zukunft und exponentiellem Wachstum auf Kosten unserer persönlichen Welten und unseres geistigen Wohlbefindens. Ein relativ verkopfter Inhalt zu einer überraschend eingängigen Produktion.
Andreas Dorau „Was nimmst du mit“ vom Album „Im Gebüsch“ (Tapete Records)
Im Presseinfo zum Erscheinen des Albums antwortet der Großmeister der fröhlichen Traurigkeit auf die Frage „Ziehst Du bei dem Stück »Was nimmst Du mit?« Bilanz Deines Lebens?“ Fred vom Jupiter antwortete: „Nein! Da geht es nur darum, was man mitnimmt, wenn es zuhause brennt. Da ist keine Metaebene drin. Über die Frage, was ich mitnehmen, wenn meine Wohnung brennt, denke ich dagegen seit zig Jahren nach.“ Da ich diese Situation ohne Vorbereitung schon mal erleben musste, kann ich wahrheitsgemäß antworten: meinen „Erwachsenen-Ordner“, den i-pod (das Ereignis ist 15 Jahre her) und ein Art Glücksbringer, den ich bei der Haushaltsauflösung nach dem Tod meiner Oma heimlich eingesteckt habe.
Michael Kiwanuka „Floating Parade“ (Interscope Records/Polydor)
Michael Kiwanuka aus London mit Wurzeln in Uganda hat die sanfteste Stimme im Pop-Biz seit Marvin Gaye. Sein Bariton strahlt eine unaufdringliche Wärme aus. Einfach zum Niederknien. Dazu dieses verträumte Instrumental mit 70er-Jahre-Soul-Einschlag. So landet man in der Liste.
Peinlichstes Lieblingslied
Charli XCX feat. Billie Eilish „Guess” (Atlantic Records)
Im Musikvideo zu „Guess“ erklimmen die beiden recht beliebten Sängerinnen einen riesigen Berg aus Unterhosen, die vom Himmel regnen, und im Text geht‘s um Oralverkehr. Das sind schon mal vier Gründe in einem Satz, um den Song und das Phänomen völlig zu ignorieren. Wäre da nicht meine Karriere im DJ-Herbst des Lebens. Beim ersten Mal, als sich dieser Song vehement gewünscht wurde, dachte ich noch: Uh, wasfürnscheiß. Beim zweiten Mal erkannte ich den Loop aus dem Daft-Punk-Song „Technologic“ und mir schwante ein doch-irgendwie-cool. Beim dritten Mal habe ich mitgetanzt.
Album
Elbow „Audio Vertigo” (Polydor Records)
Elbow aus Manchester sind mit ihrer Mischung aus der Post-Punk-Phase von Radiohead und dem Progressive Rock von Genesis ein legitimer Bestandteil der britischen Popkultur und definitiv die besseren Coldplay. „Audio Vertigo” ist ihr fröhlich-feierliches, zehntes Studioalbum.
Various Artists „Der Text ist meine Party (die Hamburger Schule 1989-2000)“ (Tapete Records)
Zum dem gleichnamigen Buch über diese Szene ist das die zugehörige musikalische Kompilation. Die Sterne, Tocotronic oder Blumfeld kennt jeder. Aber wer kann sich noch an den fantastischen Beifang erinnern? Die Trackliste liest sich wie Vergangenheitsbewältigung, unter anderen sind vertreten Kolossale Jugend, Cpt. Kirk, Die Braut haut ins Auge, Die Fünf Freunde, Die Regierung, Concorde, Huah!, Stella, Sport, JaKönigJa und Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs.
Shellac „To All Trains“ (Touch and Go Records)
Veröffentlicht am 17. Mai 2024, 10 Tage nach dem Tod der Postpunk-Legende und des Pokerspielers Steve Albini durch Herzinfarkt. „To All Trains“ versammelt alles, was man an seinen Musikprojekten liebgewonnen hat. Schneidend, metallisch messerscharfe Gitarren, ein spartanisch zuckender und stotternder Drumcomputer und dazu seine absichtsvoll lethargisch, spröde, gefühllose Gesangsstimme. Rest in peace, Motherfucker.
Konzert
11.10. Lysistrata @Cassiopeia Berlin. Einen Tag vor dem superben KrautNick-Geburtstag auf Radio Okerwelle hatten meine Berliner-Ausgehgruppe und ich eine Rendez-vous mit der Post-Hardcore-Band aus Frankreich in einem piefigen Konzertclub. Nach meinem letztjährigen Ausflug zu Depeche Mode hatte ich mir vorgenommen, so schnell nicht wieder an einer Massenveranstaltung in einem Stadion teilzunehmen. Deshalb kam dieser Gig gerade recht. Am Ende des Konzertes tropfte der Schweiß von der Decke des 200 Leute fassenden, unbelüfteten Betonschlauches. Für € 13,60 Eintritt kann man nicht mehr Portion Glückseligkeit verlangen.
Kinofilm
„Johatsu – Die sich in Luft auflösen“
In Japan verschwinden jedes Jahr Tausende Menschen für immer, viele absichtlich mithilfe sogenannter Nachtumzugsfirmen. Andreas Hartmann und Arata Mori haben eine Doku über sechs Schicksale gemacht, „Johatsu“. Was „die zu Wasserdampf Gewordenen“ auf Japanisch heißt, erscheint als Kehrseite des Gemeinschaftssinns, als Rückzug in die Vereinzelung. Ich wurde sehr gut unterhalten.
Serie
„Yellowstone“ (Paramount)
In „Yellowstone“ geht es um das Schicksal einer riesigen Ranch in Montana. Dort lebt die dysfunktionale Sippe unter der Herrschaft eines schwierigen Patriarchen. Zur Familie gehören neben dem Vater zwei Söhne, einer davon hat eine indianische Frau, eine Tochter und ein zugelaufener Vorarbeiter. In Laufe der Handlung des Neo-Westerns werden Meinungsverschiedenheiten immer irgendwann mit Faust, Messer, Colt oder Sturmgewehr ausgetragen. Der Kniff dabei ist, dass sich die Protagonisten in der Rolle der indigenen Einwohner des 19. Jahrhunderts wiederfinden, Uramerikaner, die von den Vorfahren des Patriarchen aus dem Tal vertrieben worden sind. Dazu kommen die grandiosen Landschaftsaufnahmen aus Montana: die Ranch, das Vieh, die Berge. Herdenweise Rinder, Mustangs und Büffel sausen ständig durch das Bild. Und vor dieser Kulisse machen Cowgirls und Boys das, was sie eben den Tag über so machen. Das hat Suchtpotential.
Buch
Fernando Pessoa „Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares“ (Fischer Verlag, übersetzt von Inés Koebel, 2003)
Seit einem gefühlten Vierteljahrhundert nehme ich mir vor, diesen Uluru der Weltliteratur zu erklimmen. 2024 melde ich Vollzug. Diese „Soziologie der Träume“ ist das anstrengendste Buch, was jemals den Weg auf mein Nachtschränkchen gefunden hat. Trotzdem üben diese ausufernden Satzketten, die naive Ironie und die Mischung aus Sehnsucht, Melancholie und verletztem Stolz eine eigenartige Anziehungskraft aus. Aber noch einmal lese ich das nicht.
Podcast
„Was bisher geschah“ (Wondery)
„Wenn wir wissen, was bisher geschah, nehmen wir intensiver wahr, was heute passiert, und verstehen, was morgen kommen kann.“ (Aus dem Beipackzettel, der ausnahmsweise mal einlöst, was er verspricht.) In „Was bisher geschah“ sprechen Geschichtsjournalist Joachim Telgenbüscher und Historiker Nils Minkmar über die Dramen, Triumphe, Ereignisse und Persönlichkeiten der Geschichte, die unsere Welt geprägt haben und bis heute beschäftigen und setzen diese in den kulturpolitischen Kontext von heute.
Gestorben und betrauert
Hans-Georg Reinicke, * 11.07.1951, † 12.07.2024
Rolf Hiecke, * 08.02.1941, † 03.10.2024
Matthias Bosenick
Persönliches Event
20 Jahre KrautNick: Dass es die Plattform überhaupt so lang geben würde, hätte ich 2004 nicht zu träumen gewagt. Dass sie so wachsen würde, auch nicht. Dass ich darüber so viele Kontakte aus aller Welt knüpfen würde, noch weniger. Und dass ich bald mit Guido Dörheide und Onkel Rosebud ein festes Team hatte, ist das Krönchen von allem. Wir feierten auf Radio Okerwelle drei Stunden lang KrautNick-Geburtstag. Und danach gesellte sich noch Bassist Chrisz Meier als neuer Kolumnist hinzu.
Weitere Höhepunkte waren die Aktivitäten mit meinem DJ-Team Rille Elf: Wir bespielten Lieblingsorte wie das Café MokkaBär, Harrys Bierhaus und das Kufa-Haus, legten aber auch zu Sonder-Aktionen auf wie den WRG-Kulturtagen, dem Lichtparcours und dem zehnten Geburtstag vom Krügerglantzquartett. Nächstes Jahr werden wir selbst zehn Jahre alt.
Song
Devin Townsend – Ruby Quaker (von „PowerNerd“)
Kurz vor Jahresabschluss kredenzt mir Dev sein bestes Album seit rund zehn Jahren und darauf den Kracher schlechthin: eine Metal-Ode an den Kaffee, ein wilder Ritt durch Genres, die mit Metal nicht zwingend etwas zu tun haben. Wakey-wakey!
Evgeny Bardyuzha – Love Drunk
In der besseren Instrumentalversion untermalte dieser fiebrig kriechende Electro-Disco-Knaller den Trailer zum diesjährigen Filmfest. Das Stück war mir noch wichtiger, weil meine Freundin seit diesem Jahr fürs Filmfest arbeitet.
Peinlichstes Lieblingslied
Snollebollekes – Links rechts (2015)
Der EM-Fußball selbst war gar nicht so interessant, dafür aber die Fanaktionen in den Spielstädten: Auf Twitter verfolgten meine Freundin und ich beispielsweise, was die Fans aus Schottland so trieben, und hüpften mit den Niederländern „links rechts“. Ja, ich hab mir von dem Baller-Song die 7“ gekauft.
Album
Solbrud – IIII
Leider der Schwanengesang, auf den wir auch noch lang warten mussten: Sänger Ole war inzwischen zugunsten seiner Projekte Afsky und Heltekvad ausgestiegen, ein neuer Sänger längst gefunden und die bereits vollzogenen Aufnahmen technisch zum Abschluss gebracht. Dennoch stellte das Rest-Trio fest, dass es ohne Ole nicht weitergeht. „IIII“ ist die Körnung des modernen Black Metal: Jedes der vier Bandmitglieder komponierte eine der LP-Seiten, so vielseitig waren selbst Solbrud nie zuvor, und die waren schon immer vielseitig.
Fly Cat Fly – Freaks
Ein weiteres Album, auf das wir lang zu warten hatten – viele Songs kannte man schon live, die LP in den Händen zu halten kam einer Erlösung gleich. Wie nur zwei Leute so geilen Indierock, der auch noch weit mehr ist als das, zusammengetragen und zudem noch live so wegblasend transferiert bekommen! Vom ersten bis zum letzten Ton der Hammer.
Beth Gibbons – Lives Outgrown
Diese Stimme! Diese Art zu singen, gleichzeitig zerbrechlich und kraftvoll! Anders als mit ihrer Hauptband Portishead, ist diese Musik hier komplett analog. Und wie beim Vorgänger, ihrem Solo-Debüt „Out Of Season“, ist hier jemand von Talk Talk beteiligt. Eine mehr als überzeugende Kombination!
Konzert
Chronologisch rückwärts, weil ohne Wertung: Grass Harp im Planetarium Wolfsburg am 16. November, Das Vollplaybacktheater mit „John“ im Theater am Aegi Hannover am 8. November, The Notwist im WestAnd Braunschweig am 11. Oktober, Fly Cat Fly im Kufa-Haus Braunschweig am 21. September, Das Vollplaybacktheater mit „Die drei ??? und der heimliche Hehler“ in der Lindenhalle Wolfenbüttel am 10. Februar.
Kinofilm
Das Kinojahr 2024 hatte für mich so viele positive Überraschungen in petto, dass ich den besten gar nicht herauspicken kann. Los ging es schon im Januar mit „Der Junge und der Reiher“, dem wohl letzten Film von Hayao Miyazaki. Weitere Perlen: „Andrea lässt sich scheiden“ von Josef Hader, „Zwei zu Eins“ von Natja Brunckhorst, „In Liebe, Eure Hilde“ von Andreas Dresen, „The Room Next Door“ von Pedro Almodóvar, „Universal Language“ von Matthew Rankin und zuletzt „Konklave“ von Edward Berger. Dazu einige gefeierte Wiederaufführungen – und auch einiger Schrott, aber der sei hier missachtet.
Serie
Lars von Trier – Geister: Exodus (Riget: Exodus)
Bereits 2022 fertiggestellt, aber erst 2024 auch bei uns zu haben: der Abschluss der Krankenhaus-Horror-Komödie des seinerseits erkrankten Lars von Trier. Erreicht das sehr hohe Niveau der Ur-Serie von vor 30 Jahren nicht ganz, ist aber dennoch empfehlenswert. Zumal die einzige andere Serie, die ich in diesem Jahr sah, komplette Scheiße war.
Buch
Sibylle Schreiber – Das 3×8 der Liebe
Eigentlich hätte dieses Buch bereits zum Weihnachtsgeschäft veröffentlicht worden sein sollen, aber auch im April und überhaupt sowieso ist es die Lektüre wert. Nochmals eigentlich hatte Sibylle diese 24 Liebesgeschichten aus aller Welt und rund um lokale Bräuche und Mythologien lediglich als Adventskalender für ihren Gatten-in-spe konzipiert, ließ sich aber gottlob davon überzeugen, dafür einen Verlag zu suchen. Wie gut, dass das geklappt hat!
Podcast
Höre ich nicht, ich bleibe bei Hörspielen, und da – abseits von meinen Immer-Favoriten, den klassischen „Die drei ???“ und „Point Whitmark“ – bei den Serien aus dem Hause Contendo Media. Spotify sei Dank.
Gestorben und betrauert
Café MokkaBär, 21. April 2018 – 19. Dezember 2024
Da fühle ich mich wie um ein Wohnzimmer amputiert.