Von Matthias Bosenick (11.10.2024)
Das war eine Zeitreise: Nicht nur überhaupt Musik auf dem fünfsaitigen Banjo ist der Schwerpunkt des in Banjokreisen als lebende Legende geltenden Clarke Buehling aus Fayetteville, Arkansas, USA, er weiß zu den Kompositionen und Arrangements einiges zu berichten und nimmt die Zuhörenden mit in die USA von vor 200 bis 100 Jahren, als das Land noch stärker als europäische Kolonie in Erscheinung trat. Begleitet von zwei Schweden namens Pär, nämlich Pär Engstrand (von der Folkband Plough) an der Akustischen und Fotograf Pär Persson Mattsson (alias Fiddlestomper) an der Fiddle, bereitete der Weitgereiste dem Publikum im Braunschweiger Café MokkaBär einen virtuosen, stimmungsvollen und unterhaltsamen Abend.
Mit „In München steht ein Hofbräuhaus“ beginnt Buehling, begleitet zunächst von nur einem Pär, nämlich Engstrand, sein Set, verstärkt übrigens lediglich über ein Ear Trumpet Labs Myrtle Großmembran-Kondensatormikrofon, also herrlich vintage-oldschool. Weitere bayrische Weisen folgen. Man staunt. Einmal, dass diese Lieder auf dem Banjo eine ganz andere Anmutung bekommen, und dann, dass der US-Amerikaner Buehling sie überhaupt in so einer unbayrischen Banjo-Version vorträgt. Ohne Gesang, indes, den lässt er an diesem Abend nur ein einziges Mal hören. Und ganz abgesehen davon, dass man hier in Braunschweig mit alpiner Volksmusik nicht allzuviel am Hut hat, überzeugt der Vortrag schon allein mit seiner Virtuosität. Buehler beherrscht seinen Fünfsaiter, und zwar mit dem klassischen Fingerstyle, also nicht, indem er Akkorde schrubbt. Und wenn er ihn doch auch mal nicht beherrscht und knapp danebengreift, kichert er sich eins und entwaffnet damit jeden potentiellen Argusäugigen.
Für die nächsten Stücke, „irische Folksongs in veränderter Tonart“, begibt sich der andere Pär, also Persson Mattsson, auf die kleine MokkaBär-Bühne und unterstützt die Saitenmusiker dabei, dichte Songs zu generieren, die erheblich nach Guinness schmecken. Wie überhaupt die Lieder dieses Abends sehr diverse Geschmacksrichtungen haben, was daran liegt, wie Buehling erklärt, dass die Kompositionen nicht allein in den USA entstanden, sondern auch in Deutschland, Österreich, Großbritannien und sonstwo in Europa, etwa Polen, zumindest spielt Buehling einige Mazurkas. Ein Lieblingskomponist von ihm ist der Bostoner A.A. Babb, den er wegen seines Namens mag, den er gern buchstabiert: „A., A., B., A., B., B, backwards B., B., A., B., A., A.“, weil das auch eine Strophenstruktur wiederspiegelt und überhaupt lustig klingt. Dessen Stücke ebenso. Einen Ausflug macht Buehling auch in den Jazz, und zwar in den, den man als Laie am ehesten mit Dixieland in Verbindung bringen würde, und an ganz anderer Stelle klingen seine Lieder wie Kammermusik, wie Klassik beinahe. Kurz nach der Pause gibt’s nochmal Songs zu dritt, meistens zu zweit, ganz selten performt Buehling ganz allein, und zwar deshalb nur selten, weil die Stücke meistens für zwei Banjos ausgelegt sind, erklärt er, und dann tritt seine Fingerfertigkeit noch direkter und eindrucksvoller zutage. Man staunt.
Zu erzählen hat Buehling eine Menge, und das auch noch auf unterhaltsame Weise. Man hört ihm gern zu, wenn er etwa berichtet, dass er Vorfahren in Schleswig hat, deren Stücke er in sein Programm aufnimmt, oder dass er bemerkt, dass das Banjo vor über 100 Jahren den Stellenwert hatte wie heute die Gitarre: „Jeder hatte eins unterm Bett, das er nicht spielte.“ Buehling ist 1947 geboren und war schon in einigen Formationen unterwegs, The Skirtlifters und The Old 78’s etwa; CDs hat er dabei von The Ozark Highballers, „Going Down To ‘Leven Point“ aus dem Jahr 2019, sowie die CDr-Kopie des Tapes „Buehling Banjos“ aus dem Jahre 1985, das er mit Bill Morris aufnahm. Organisiert hatten den Auftritt Sonja und Tobias Teubler aka The Kentucky Tragedy, ihrerseits in Sachen Blue Grass und weiteren amerikanischen Prä-Country-Musikrichtungen unterwegs. Nächstes Mal nehmen wir bitte Akkordeon oder Dudelsack!