Von Onkel Rosebud (16.07.2023)
… und im Radio flötet die Moderatorin: „37 Grad. Das ist ein Supersommer!“ Und ich frage mich: Kann man das gute Wetter ernsthaft hassen?
Es ist früh am Morgen, die sogenannte tropische Nacht ist vorbei, es wird nicht regnen heute und es ist heiß. Schon jetzt. Schon wieder. So heiß. So irre heiß. Es ist die Hölle. Man steht also im Bad, hundsmüde, weil man sich in der Nacht hin und her gewälzt hat in einem feinen Film aus Schweiß und delirierenden Vorstellungen von einem besseren Leben in Grönland, und dann flötet eine Stimme aus dem Radio: „Guten Morgen, ach was, es ist ein perfekter Morgen, schon jetzt sind 29 Grad und bis zum Abend freuen wir uns auf 38 Grad. Das ist ein Supersommer!“
Sodann wird „Sunshine Raggae“ von Laid Back aufgelegt. Das ist ein an sich wunderbarer Song aus dem Jahr 1982. Er stammt aus einer Zeit, da sich die Sommer noch zu benehmen wussten und bei maximal 24 Grad endeten. Eigentlich liebt man diesen Song, in dem alles steckt, was den Sommer einmal so schön gemacht hat: der Himmel, das Meer, der Drink, 24 Grad, die Freunde – und: „Let the good vibes get a lot stronger“. Doch diesmal, wie soll ich das jetzt sagen, hmm, also: Beim dritten „Get a lot stronger“ packt man das Radio und wirft es aus dem Fenster auf den Asphalt, der in diesem Supersommer schon Blasen wirft. Das Radio fällt weich.
Ich frage mich, ob es außer mir noch jemanden gibt, der diese ätzende Hitze einfach nur menschenverachtend, antizivilisatorisch und abgrundtief böse findet. Vermutlich nicht. Denn um mich herum gibt es eigentlich nur diese flirrende Get-a-lot-stronger-Laune und dazu wie in Endlosschleife Nachrichtenbilder von Freibadspaß und Biergartengeklingel. Und die Nachricht, dass es Usedom jetzt mit Rimini aufnehmen kann. Jens Riewa verabschiedet sich in den Tagesthemen mit dem Satz „Bleiben Sie kühl“ und der amtierende Gesundheitsminister empfiehlt, gegen die Hitze Wärmflaschen in den Kühlschrank zu legen.
Das ist überhaupt die Zukunft: Die Ostsee wird zur Adria und Karl Lauterbach wird Bademeister. Auch dort gibt es, wie überall in Deutschland, Männer in kurzen Hosen auf Sandalen ohne Socken und Frauen mit fast gar nichts und einem Arschgeweih an. Aber wisst Ihr was, Ihr Kinder der Sonne: Hätte der liebe Gott gewollt, dass Männer kurze Hosen tragen, so hätte er ihnen kurze Beine oder den Frauen die Blindheit geschenkt. Gerade denen mit Arschgeweih.
Es heißt, dass man von der Hitze aggro wird. Kann sein. Absolut. Man sollte vielleicht eine nächstenliebende Kirche gründen, die die Kälte anbetet. Wer macht mit? Ich denke da an Pinguine, Wärmflaschenhersteller und Menschen, die kurze Hosen, Arschgeweihe und eng besetzte Schwitz- und Saunalandschaften (vormals: Innenstädte) nicht mögen. Und die darum beten, dass es bald wieder kalt wird. Und möglichst lange dunkel. Bis es aber endlich so weit ist, bis zum 21. Dezember also (noch ungefähr 150-mal schlafen), wird man verreisen. An den Funtensee im Nationalpark Berchtesgaden zum Beispiel, der Kältehauptstadt Deutschlands, -45,9 wurden da am 24. Dezember 2001 gemessen.
Onkel Rosebud
(Inspiration für den Text ist der großartige Gerhard Matzig, ein Journalist, wie er im Buche steht, siehe Süddeutsche vom 26. Juli 2018, „Das Böse unter der Sonne“. Er spricht mir sowas von aus dem Herzen und ich hoffe, er verzeiht mir den Remix).