Eläkeläiset – Live in der Faust, Hannover, am 20. April 2013


Von Matthias Bosenick (21.04.2013)

„Humppa macht krank“, behauptete einer der dieses Mal fünf Eläkeläiset-Musiker bei der Rückkehr zur letzten Zugabe. Vieles untermauerte den Verdacht, dass er log: Die Band steigerte ihr Tempo und ihre Energie im Verlauf des an Energie nicht armen Auftritts, das wirkte schon mal nicht krank, und außerdem: Wer so etwas 20 Jahre lang durchhält, kann gar nicht krank sein. Zudem fiel auf, dass den üblichen Maurerbrausekisten und Wodka-O-Anderthalbliterflaschen an den Tischen auf der Bühne dieses Mal Gefäße mit Mineralwasser gewichen waren. Die Party in der Faust war indes so ausgelassen wie immer – und das ist eigentlich die größte Überraschung: Wer hätte geahnt, dass dieser Witz, bekannte Hits aus allen Genres im Humppa-Stil nachzukloppen, tatsächlich 20 Jahre lang witzig bleibt?

Woran liegt das? Eläkeläiset waren nie der Trend, wie es vergleichbare Konzepte waren, etwa The Bosshoss, Hayseed Dixie, Nouvelle Vague, Richard Cheese, die alle ebenfalls irgendwelche Hits mit mehr oder weniger ironischem Zwinkern in ein bestimmtes Genre überführten. Eläkeläiset waren auch niemals so perfekt produziert wie die, im Gegenteil, sie starteten mit Kinderinstrumenten, Falschspielen gehört sowieso zum guten Ton, Respektlosigkeit holt die originalen Millionenseller und Floorfiller auf den dreckigen Boden der Realität herunter, entglitzert sie, transformiert sie in einen stumpfen Polka- oder Jenkka-Rhythmus, schaltet sie gleich, übersetzt sie in für Nichtfinnen unverständliches Finnisch, reduziert sie auf das, womit sie letztlich funktionieren müssen: die Melodie, das Riff. Und beamt sie dahin, wo viele von diesen Hits ohnehin hingehören (wollen): in die Party. Obwohl die Crowd nach Wiedererkennbarem lechzt, funktionieren bei Eläkeläiset auch die Songs, deren Originale eher unbekannt sind; natürlich sind die Leisefüchse besonders bei „Run To The Hills“ von Iron Maiden, „Breaking The Law“ von Judas Priest oder „Enter Sandman“ von Metallica unterwegs, sogar noch mehr Party ist bei „No Limits“ von 2 Unlimited und „Wind Of Change“ von den Scorpions angesagt, kaum weniger bei aktuellen und Ü30-Hörern nicht so vertrauten Nullerjahresongs, bei Postpunkperlen wie „Shot By Both Sides“ von Magazine oder bei Popklassikern wie „Beds Are Burning“ von Midnight Oil. Weniger Zuspruch als die Glattpolierten haben Eläkeläiset trotz des Nicht-Hip-Seins aber auch nicht: Die Faust war ausverkauft. Und erstaunlicherweise durchsetzt mit langhaarigen und kuttentragenden Metallern, die ihre Bierkrüge in die Luft reckten, wenn sie sich nicht gerade von der Bühne in die Arme der anderen stürzten. Eläkeläiset sind Partydienstleister.

Und das auch noch musikalisch deutlich versierter, als sie es mit ihrer Schräglage zugeben wollen. Das hört man auf den CDs, das lassen sie aber auch live von der Leine (à propos, Hannover-Witze gab es in dem Club an der Ihme auch, mit Scorpions-Songs und -Ansagen): Der fünfstimmige Gesang bei „Beds Are Burning“ war perfekt, und je mehr Tempo die Band zulegte, als desto hochklassiger offenbarte sich ihr instrumentales Können. Natürlich war es von einem Musiker respektlos, sein Yamaha-Keyboard zu spielen, indem er darauf herumhüpfte, doch erweiterte genau der Musiker dann den Bandsound um Ukulele und Violine, wie aus dem Ärmel geschüttelt. Ja, die können doch was, mehr als nur irgendwelchen lustigen Trash, und das honorierte das Publikum. Substantielle Anarchie! Auf die nächsten 20, ihr Rentner!

Das Vorprogramm bestritt ein Isländer namens Svavar Knútur, der allein auf der Klampfe und der Ukulele Musik wie im Irish Pub machte, aber deutlich aufmerksamkeitsfordernder war als kürzlich der Anheizer von Phillip Boa. Seinen Haudraufhumor musste man zwar nicht mögen, entziehen konnte sich ihm aber niemand. Gute Wahl, wenn auch nichts für den Heimgebrauch.

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