Von Matthias Bosenick (05.11.2012)
Fotos von Olli Zschörnig
Ach, Devin war gar nicht der Hauptact? Fear Factory sind heute größer als Devin? Obwohl die in der Zeit stehengeblieben sind und Devin sich weiterentwickelt hat, wie auch das Konzert belegte? Eigenartig. Nun gut. Für die eine Stunde lustigen Metal-Prog-Devin hat sich die stumpfe Fear-Factory-Party mit der Reminiszenz an die eigene Adoleszenz aber auf jeden Fall gelohnt.
Eine Vorband zur Vorband gab es auch noch, vermutlich hieß sie Syqem und kam aus Hamburg. Die Polyrhythmik entliehen die vier Metallköpfe bei Meshuggah, den Gesang bei NuRockern wie Nickelback. Ging recht okay ab, mit ein bisschen mehr Eigenständigkeit kann da etwas Amtliches draus werden.
In der angrenzenden Umbauphase liefen Videoclips über die Leinwand im Hintergrund. Ziltoid machte sich über Bummbumm lustig, etwa den Techno Viking, und etwas schräge Werbung. Ging gut los. Dann kam die Band, zur Überraschung eben wirklich das Devin Townsend Project zuerst: Glatzkopf Devin selbst im Shirt und schwarzen Blazer, dazu an den anderen Saiteninstrumenten Kerle mit ZZ-Top-Bärten sowie ein Drummer, allesamt in Optik und Verhalten nicht eben Metal-typisch, sehr angenehm also. Der ganze Gig belegte, dass geiler, dynamischer und harter Metal auch ohne die klassischen Insignien überzeugt. Dafür ist Devin einfach zu sehr Spielkalb, Komiker, Clown, als dass er das im Rahmen eines Metal-Konzertes verbergen wollte. Im Gegenteil, er machte sich an manchen Stellen insbesondere über klassische Metal-Posen lustig, etwa mit der Ansage, das nächste Lied sei für die echten Metal-Guys, die immer in der letzten Reihe „so“ dastehen, und verschränkte die Arme und schmollte, und das nächste Lied war dann wirklich eine Dampframme. Die ganze Band musizierte so leichtfüßig, dass Sound und Bild gar nicht so recht zusammenpassen wollten. Eine Gitarre muss schwer aussehen, sonst kann auch die Musik nicht nach Schwermetall klingen, meint man.
Das Repertoire machte Fans glücklich, beschränkte Devin sich nicht auf die fünf mit dem Project erschienenen Alben, sondern auf seine gesamte (Solo-)Karriere, zum Beispiel mit „Regulator“ vom Ocean-Machine-Debüt und – passend zum Datum – „Vampira“ vom Album „Synchestra“ der Devin Townsend Band. Die Fans bekamen also seine Pop-Balladen ebenso zu hören wie die Metal-Bretter – weniger heavy als die in der Setlist ausgeklammerten Strapping Young Lad war das Project an solchen Stellen auch nicht. Schade, dass Anneke van Giersbergen nicht dabei war, aber sie ertönte dezent vom Band, wie auch so manche Keyboard-Einspielung. Überhaupt war der Gig so durchkonzipiert, dass jeder Ton exakt zum Hintergrundfilmchen passte, aber machte nix, dynamisch blieb es. À propos Hintergrundfilmchen, einmal machte sich eine bärtige Puppe über den typischen Meshuggah-Sound lustig; die Frage blieb offen, wie Devin das meinte, schließlich neigt auch er zum Frickeln.
Kann natürlich sein, dass das in seine Haltung passte, sich über den typischen Metal lustig zu machen. Als er „Grace“ ankündigte, behauptete Devin, es handele von Liebe, und dass er das Publikum bittet, zu Hause mal wieder die Katze zu streicheln, den Hund zu füttern oder – sofern er noch lebt – sich mit dem Papageien zu beschäftigen, und fragte: „Ist das Metal?“ Und gab selbst die Antwort: „Das ist Metal.“
Während des Gigs nahm Devin unablässig Kontakt zum Publikum auf, und nicht allein, indem er es ansprach: Er ging mitten hinein, berührte, ließ sich berühren. Zuletzt warfen die Musiker Plektren und Sticks in die Menge, die Pleks schön mit DTP-Logo drauf und Musiker-Porträt auf der Rückseite. Ein Reisenspaß, wenn auch der Sound etwas breiig war.
Nicht so bei Fear Factory, bei denen sich die Halle tatsächlich mehr füllte als bei Devin. Für die Kalifornier sei der 31. Oktober mehr als nur Halloween, wie Burton C. Bell mehrfach betonte: „Heute vor genau 22 Jahren haben Dino und ich Fear Factory gegründet“, einmal mit dem Zusatz: „Da waren einige von euch noch gar nicht geboren.“ Die Redundanz in der Wiederholung dieser Tatsache gipfelte indes in einem witzigen Akt: Devin kam gegen Gig-Ende, um mit der Band eine Flasche Champagner zu köpfen, während das Publikum brav „Happy Birthday To You“ sang, wenn auch nicht wie gewünscht auf Deutsch.
So redundant wie die Ansage war auch die Musik, muss man mal ehrlich feststellen. Fear Factory sind heavy, eine brüllende Präzisionsmaschine, in ihrer Technik einzigartig, aber leider selbstlimitiert. Die neueren Alben sind eine Kopie des Erfolgsalbums „Demanufacture“, nur ohne die Atmosphäre, und somit klangen auch im Konzert die neuen Stücke verwechselbar. Fear Factory – seit kurzem nur noch aus Burton und Dino mit zwei namenlosen Begleitmusikern bestehend – starteten den Gig mit den Hits aus ihrem zu NuMetal-Zeiten erschienenen Erfolgsalbum „Obsolete“ und neueren Stücken. Klar, „Shock“, „Edgecrusher“, das brachte die Meute zum Hüpfen, das sind auch geile Songs. Die anderen waren dann eher nackenbrechende Brüllmonster. Zur zweiten Hälfte dann hob das Quartett den Geburtstag in den Vordergrund und beschränkte sich bis zum Schluss nur noch auf die ersten beiden Alben „Soul Of A New Machine“ und „Demanufacture“. Ja, die Songs damals waren auch schon so brutal hart wie die neuen, aber irgendwie besser strukturiert, catchier, mit mehr Hooks. Und die Party eben bei den Älteren im Publikum umso härter. „Self Bias Resistor“ mal wieder live hören, das war schon großartig, und die zweite Konzerthälfte eben eine tolle Retro-Party.
So blieb das Gute an Fear Factory in der Vergangenheit, während Devin selbst seine alten Songs frischer und druckvoller klingen ließ und sowieso mehr in die Zukunft blickte. Und die Zukunft hielt einen angenehm schlaffördernden Tinnitus bereit.
Setlist Devin Townsend Project:
Supercrush!
Kingdom
Regulator
Planet Of The Apes
Where We Belong
War
Colonial Boy
Vampira
Lucky Animals
Juular
Grace
Setlist Fear Factory:
The Industrialist
Recharger
Shock
Edgecrusher
Fear Campaign
Acres Of Skin
Linchpin
New Messiah
Martyr
Scapegoat
Self Immolation
Demanufacture
Self Bias Resistor
Zero Signal
Replica