Von Matthias Bosenick (31.12.2014)
Wenn zwischen zwei Live-Veröffentlichungen lediglich ein Studioalbum liegt, muss sich das jüngste Live-Dokument nicht nur den Vergleich zum Vorgänger gefallen lassen, sondern auch die Frage nach seiner Relevanz. Zwischen „Alive“ (2010) und dem neuen „The Ophidian Trek“ erschien lediglich „Koloss“ (2012), das die meisten inhaltlichen Unterschiede zwischen den Live-Alben beisteuert. Filmisch ist „Alive“ knackiger gelungen, der Sound ist beim Vorgänger ebenfalls besser, und was jetzt außerdem ausbleibt, ist die Überraschung darüber, dass die fünf Schweden ihre hochkomplexen Metalstücke tatsächlich live rekonstruieren können; das war der große Aha-Effekt auf „Alive“ für alljene, die die Band nie live gesehen hatten. Ein Vorteil ist, dass die Songs auf „The Ophidian Trek“ nicht unterbrochen sind, zeigte doch „Alive“ Impressionssequenzen zwischen den Tracks. Die Songs indes sind natürlich auf beiden Werken geil.
Keine Angst, die DVD oder BluRay ist nicht defekt: Eine GoPro kann nun mal noch keinen Sound aufnehmen. Die ersten zwei Minuten des weitgehend in Orange gehaltenen anderthalbstündigen Konzertfilms sind nämlich aus der Zuschauerposition mit einer GoPro gefilmt, man sieht lediglich Flackern auf der Bühne und Pommesgabeln in der Luft. Sobald sämtliche Musiker ihre Plätze eingenommen haben, geht der Ton an und „Swarm“ ertönt, ein Track von „Kolossus“. In der Folge performen die Fünf ihre hochkomplexen, atmosphärischen, besonders harten, vertrackten, polyrhythmischen, progressiven, trotzdem groovenden und nackenbrechenden Metalstücke mit Geschrei – da gibt’s nichts dran zu meckern, aber eben auch nichts Neues dran zu entdecken.
War es bei „Alive“ noch die positive Überraschung, dass die Stücke live tatsächlich exakt so klingen wie auf den Studioalben, was man bei anderen Bands eher als Redundanz auffasst, fehlt einem auf „The Ophidian Trek“ ebenjener Unterschied. Die Band hätte gut daran getan, ihre Stücke für eine zweite Zweitverwertung zu variieren. Das ist vermutlich schwierig, wenn schon das Ausgangsmaterial so komplex ist, dass jede weitere Verkomplizierung einer Neukomposition gleichkäme. Die Musik wirkt nämlich stets, als spiele jeder Musiker seinen eigenen Song, der dann auf absurde Weise mit denen der anderen harmoniert.
Man kann „The Ophidian Trek“ zugute halten, dass die Überschneidungen mit „Alive“ lediglich fünf Stücke umfassen, man also abgesehen von weiteren fünf „Kolossus“-Stücken auch mit anderem älteren Material versorgt wird, und das auch noch mit wahnwitzigen Prog-Metal-Brocken wie dem dreiteiligen Ausschnitt aus „Catch Thirtythree“, das ja keine erkennbare Trackstruktur hat. Mit „Bleed“ und „New Millennium Cyanide Christ“ sind auch mindestens zwei Hits im Set. Schade nur, dass dennoch das älteste Stück lediglich von 1998 ist, Meshuggah also die ersten beiden Alben aussparen. Gerade mit denen hat man als die Band seinerzeit entdeckt, eben weil sich die Musik so massiv von der anderer Metalbands abhob. „Future Breed Machine“ war ein Fest.
Schön sind die vielen Blicke ins Publikum bei den diversen mitgefilmten Locations. Man sieht die Meute abhotten und wünscht sich mitten hinein in die Moshpits. Dafür kann man als Filmgucker wiederum Gitarren-Meister Fredrik Thordendal besser auf die Finger und Schlagzeuger Tomas Haake auf die Sticks gucken. Wer aufs Bild trotzdem verzichten kann, bekommt die fantastische Musik auf zwei CDs dazugeliefert. Eine schöne Box, keine Frage. Aber es muss einfach nicht auf jedes Studio- ein Live-Album folgen.
01) Swarmer (das zweiminütige GoPro-Intro)
02) Swarm (von „Kolossus“)
03) Combustion (von „Obzen“, auch auf „Alive“)
04) Rational Gaze (von „Nothing“, auch auf „Alive“)
05) Obzen (von „Obzen“)
06) Lethargica (von „Obzen“, auch auf „Alive“)
07) Do Not Look Down (von „Kolossus“)
08) The Hurt That Finds You First (von „Kolossus“)
09) I Am Colossus (von „Kolossus“)
10) Bleed (von „Obzen“, auch auf „Alive“)
11) Demiurge (von „Kolossus“)
12) New Millennium Cyanide Christ (von „Chaosphere“, auch auf „Alive“)
13) Dancers To A Discordant System (von „Obzen“)
14) Mind’s Mirrors/In Life – Is Death/In Death – Is Death (von „Catch Thirtythree“)
15) The Last Vigil (von „Kolossus“)