The Chemical Brothers – Don’t Think – Parlophone/EMI 2012

Von Matthias Bosenick (09.05.2012)

„Don’t think“, lassen die Chemical Brothers sagen, „just let it flow“, und gefühlte Abermillionen von Japanern halten sich daran. Beim Fuji Rock Festival ließ das Bigbeat-Duo einen Auftritt mitfilmen und die Kameras dabei besonders aufs Publikum halten. Frenetisches Schreien, verzerrte Gesichter, ausgelassenes Tanzen – das japanische Publikum lässt alles raus, was es im Alltag offenbar unterdrücken muss. Und die Chemical Brothers entlocken es ihm.

Dabei ist deren erstes Live-Dokument in 20 Jahren musikalisch gar nicht so relevant, wenn man alle Studio-Alben hat. Die Stücke kommen von Festplatten und klingen entsprechend hochwertig und zumeist auch vertraut. Mit Ausnahmen, nicht wenigen: Tim Rowlands und Ed Simons mixen ihre Tracks zusammen, verfremden die eingestreuten Gast-Vocals und erzeugen so eine emotional aufwühlende Abfolge von Tanzexplosionen und Chilloutphasen. Das Bild des Begleitfilms setzt dem eins drauf, wenngleich man viele Clips bereits von der Bonus-DVD des letzten Albums „Further“ kennt. Doch immer dann, wenn die Projektionen Raumtiefe erreichen, fühlt man sich in eine schöne Welt abgetaucht. Am beeindruckendsten sind die Schwimmer über den Zuschauern, nicht minder umwerfend die fliegenden Stühle, die gestreiften Tänzer, explodierende Kannen, schreiende Clowns, hetzende Insekten, was auch immer. Eine blitzende Lightshow unterstützt die Bilderflut, nichts für schwache Nerven. Je größer jedenfalls die Guckfläche ist, desto mittendrinner wähnt man sich.

Inhaltlich decken die Chembros erfreulicherweise sämtliche sieben Studio-Alben und die Compilation „Singles 93-03“ ab. Das Titelstück kennen Japaner als Bonus-Track zu „Further“, neu ist das Stück „Superflash“. Dem Ganzen – eine DVD oder Blueray wahlweise als Jewel Case, DVD-Buch oder Zehn-Zoll-Buch – ist eine Audio-CD beigefügt, der lediglich das Intro „Tomorrow Never Knows“ von Junior Parker sowie mittendrin das Stück „It Doesn’t Matter“ fehlen.

Da die Sounds alle verhältnismäßig vorgefertigt und damit eher unflexibel klingen, fehlt dem Werk allerdings etwas Seele. Das war bei „Everything, Everything“ von Underworld 1999 ganz anders, die Live-DVD punktet da gegenüber „Don’t Think“ mit mehr Atmosphäre. Und trotzdem: Respekt dafür, dass eine Gruppe, die einem musikhistorisch befristeten Hype entsprang, nach 20 Jahren immer noch mehr als relevante Musik macht. Auf die nächsten 20 – Do it again!

Die Tracklist der DVD mit jeweiligem Original-Album:

Tomorrow Never Knows (Intro von Junior Parker)
Another World („Further“)
Do It Again („We Are The Night“)
Get Yourself High („Singles 93-03“)
Horse Power („Further“)
Chemical Beats („Exit Planet Dust“)
Swoon („Further“)
Star Guitar („Come With Us“)
Three Little Birdies Down Beats („Exit Planet Dust“)
Hey Boy Hey Girl („Surrender“)
Don’t Think (Bonus-Track von „Further“)
Out Of Control („Surrender“)
Setting Sun („Dig Your Own Hole“)
It Doesn’t Matter („Dig Your Own Hole“)
Saturate („We Are The Night“)
Believe („Push The Button“)
Escape Velocity/The Golden Path („Further“/„Singles 93-03“)
Superflash (neu)
Leave Home/Galvanize („Exit Planet Dust“/„Push The Button“)
Block Rockin‘ Beats/Das Spiegel („Dig Your Own Hole“/„We Are The Night“)

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