Your Name. (君の名は。, Kimi no na wa.) – Makoto Shinkai – J 2016

Von Matthias Bosenick (19.01.2018)

Das Kino, der Ort für fesselnde Geschichten und epische Bilder: Es existiert ja doch noch, in diesem Falle belegt dies ein Film aus Japan. Der Anime „Your Name.“ (stets mit Punkt) wirft mit einer in Japan offenbar nicht ungewöhnlichen geschlechterübergreifenden Körpertauschgeschichte zunächst Fragen auf, deren Antworten in verblüffende Dimensionen führen. Mit den diese Geschichte erzählenden Bildern schafft Makoto Shinkai in Kooperation mit dem Studio CoMix Wave Films eine zusätzliche verblüffende Dimension. Berauschend!

Erzählkunst aus Japan ist von für Außenstehende oft merkwürdigen kulturellen Hintergründen geprägt. Geister, Übersinnliches, Spiritualität und traditionelle Rituale gehören zum Alltag, und treten sie in augenscheinlich realistischen Geschichten auf, wundert man sich in Japan darüber nicht. Als Nicht-Japaner muss man sich darauf ein- und dann in die Handlung fallen lassen, sich aufdrängende Verwunderung ignorieren und die Dinge nehmen, wie sie sich darstellen. Dann erhält man den Zugang zu Erzählungen, die stark von dem abweichen, was der mittlere Europäer von Shakespeare oder aus dem antiken Griechenland geprägt bis heute immer und immer wieder vorgesetzt bekommt. Es ist also auch heute noch durchaus möglich, erzählerisch abzuweichen; zumindest aus westlicher Sicht: Ob auch ein Japaner dies beim Betrachten den Film als außergewöhnlich beurteilt, wäre eine interessante Information, doch nicht umsonst gilt „Your Name.“ als erfolgreichster Anime aller Zeiten, er muss also auch im Herkunftsland etwas Besonderes sein. Andererseits: Wenn etwas Massen gefällt, ist grundsätzlich Vorsicht geboten.

Doch die ist bei „Your Name.“ nicht vonnöten: Die Entwicklung, die die Handlung nimmt, überrascht bei jeder Wendung. Los geht es damit, dass Mitsuha, eine Schülerin einer ländlichen Kleinstadt, und Taki, ein Schüler aus Tokyo, sich überraschend im Körper des jeweils anderen wiederfinden. Sie versuchen nach anfänglichen Irritationen, die Leben des anderen bestens zu meistern und ihr eigenes in den Griff zu kriegen, indem sie sich Nachrichten in den Handys hinterlassen. In direkten Kontakt treten sie nie; das versucht Taki erst, als die unkontrollierbaren Body Swaps plötzlich ausbleiben. Da er damit jedoch erfolglos bleibt, begibt er sich auf die Suche nach Mitsuha. Mit erschütternden Ergebnissen, die ungewöhnliche Maßnahmen erfordern und deren Folgen Konsequenzen in Zeit, Raum und Realität haben.

Hier trifft „Twelve Monkeys“ auf „Final Impact“, „Es“ auf „Lola rennt“, Teenagerromanze auf Action; es geht vor allem einmal mehr darum, dass Adoleszente lernen müssen, aus einer spielerischen Situation heraus auch gegen die Widrigkeiten der aufgeklärten Erwachsenenwelt Verantwortung zu übernehmen, die über ihre eigene Existenz hinaus von Relevanz ist – es geht hier um 500 Menschenleben. Und obwohl die Konsequenz das an „Es“ gelehnte schleichende Vergessen ist, stärkt die gute Tat das belohnende Karma.

Und dann diese Bilder! Hier ist Anime nicht gleich Zeichentrick, diese Art der Darstellung ist streckenweise realistischer, als es die CGI-getürkten Hollywoodblockbuster sind; schöner als die Pixar-Stressfilme sind sie allemal. Der Schatten des einfahrenden Zuges zieht sich nicht einfach die Wand entlang, er folgt den Konturen. Bei jeder Kameradrehung schwenken die Bewegungen mit. Der Meteoritenkratersee glitzert in der Sonne, ebenso die Fenster der Wolkenkratzer in Tokyo. Selbst die Bilder und Perspektiven folgen nicht einfach der Handlung, der Blick auf den Mond durch nachts blinkende Baukräne etwa trägt zur Geschichte nichts bei, zur Glückseligkeit beim Betrachter dafür umso mehr. Ein Rausch, dieser Film, nicht nur für heranwachsende Japaner. Großes Kino mit großen Themen und großen Emotionen.