Yo La Tengo – Stuff Like That There – Matador/Beggars Group 2015

Von Matthias Bosenick (13.09.2015)

Yo La Tengo sind eine Wundertüte: Jedes Album ist geil, aber man ahnt vorher nie, wie es genau klingt. Dieses Mal ist der alte Weggefährte Dave Schramm wieder mit dabei, das Trio also ein Quartett, aber die Musik ist nicht so noiserockig, opulent, ausufernd, repetetiv wie zuletzt, sondern erstaunlich reduziert, dezent, sanft, gefühlvoll. „Stuff Like That There“, nicht zu verwechseln mit „(Well You Know) Stuff Is Like We…“ von 22 Pistepirkko, ist nämlich mit einem Konzept verknüpft: Es stellt die Quasi-Fortsetzung von „Fakebook“ dar, einem Cover-Album, das die Band vor 25 Jahren veröffentlichte. Enthalten sind hier neben einem Radiohit eher unbekannte Stücke und einige eigene, davon zwei ganz neue. Wie mit jedem Ton manifestieren Yo La Tengo auch hiermit, dass sie in den Pantheon des Indierock gehören. Zwischen Sonic Youth und den Cowboy Junkies.

In Sachen Coversongs sind Yo La Tengo seit jeher sehr umtriebig und geschmackvoll. In den 90ern und Nullern veranstalteten sie etwa jährlich eine Benefiz-Hörerwunsch-Sendung auf dem Radiosender WFMU und coverten sich durch die Musikweltgeschichte. So albern wie damals gebärden sie sich auf diesem Album aber nicht: Mit absoluter Ernsthaftigkeit ergehen sie sich in Sanftmut. Sie erwecken den Eindruck, ganz nah am Hörer zu sein, indem sie ihn jeden sanft angeschlagenen Ton klar heraushören lassen. Die charakterstarken Stimmen der Eheleute Ira Kaplan und George Hubley vermitteln Emotionen, die zumeist akustischen Gitarren, der klare Bass und das zwar reduzierte, aber auch mal eindeutig groovende Schlagzeug tragen die Stücke. Man mag in der Musik abtauchen.

Interessant ist, dass die Band am intensivsten überzeugt, wenn sie ihre eigenen Stücke spielt, trotz der bissfesten Auswahl der Fremdkompositionen. Beinahe psychedelisch ertönt etwa „The Ballad Of Red Buckets“, im Original auf „Electr-O-Pura“. Doch auch die Covers machen sie zu eigenen Stücken. Das bekannteste dürfte „Friday I’m In Love“ sein, einer der wenigen nervigen Songs von The Cure, der hier ganz und gar nicht nervt, sondern ein netter reduzierter und von Georgia gesungener folkiger Klampfensong ist; parallel covert übrigens auch Natalie Imbruglia das Stück auf ihrem neuen Album „Male“, dort aber in einer Bosshoss-artigen Countryversion, die eigenartigerweise ebenfalls funktioniert. Auch „I’m So Lonesome I Could Cry“ von Hank Williams ist einigermaßen bekannt, wenn auch vielleicht nicht direkt von ihm, sondern von den Cowboy Junkies oder Johnny Cash und Nick Cave, ganz abgesehen von Bob Dylan, Elvis, Roy Orbison, Bill Frisell und Aberdutzenden weiteren Sängern. Der Rest stammt von The Lovin‘ Spoonful, The Parliaments und dem Sun Ra Arkestra sowie von unbekannten Indierockbands und Solokünstlern, die Yo La Tengo selbst verehren, wie Darlene McCrea, Great Plains und Special Pillow.

Dabei gelingt dem Trio mit vier Leuten eine überraschende Homogenität. Der eigene Sound schafft dies, die Unverwechselbarkeit, die die Band einfach hat, auch wenn sie sich anders ausdrückt als noch auf „Fade“ vor zwei Jahren. Yo La Tengo haben einfach einen akustischen Fingerabdruck. Und trotz der Sanftheit ist dies kein melancholisches Album, denn die vier aus Hoboken, New Jersey haben Spaß an dem, was sie tun, und wäre dem nicht so, klänge das Ergebnis auch nicht so rundum überzeugend und trotzdem abwechslungsreich. Was für eine geile Band, was für eine schöne Platte, auch nach 30 Jahren sind Yo La Tengo kontinuierlich relevant.