Valérian – Luc Besson – F 2017

Von Matthias Bosenick (21.07.2017)

Regisseur Luc Besson verfestigt seinen kreativen Niedergang. Sein letzter richtig guter Film ist 23 Jahre alt: „Léon – Der Profi“. Mit „Valérian“ verfilmt er eine frankobelgische SciFi-Comicserie aus den Sechzigern; wer die nicht kennt, sieht den Film für sich stehend und kann sich nur wundern, wie flach, banal, belanglos, stereotyp der ist. Es gibt in den 140 Minuten keine einzige eigene Idee. Aus dem Kino kommen und vergessen.

Zwei Bände der Comicserie von Jean-Claude Mézières und Pierre Christin liegen dem Film zugrunde: „Im Reich der tausend Planeten“ (Band 2) und „Botschafter der Schatten“ (Band 6). Man müsste sie natürlich lesen, um herauszufinden, ob die Vorlage schon so unterirdisch banal ist wie der Film. Dann wäre zwar der Film dicht am Original, aber das entbindet im Jahre 2017 keinen Skriptautoren davon, eine Story dramaturgisch umzugestalten, ohne dem Urwerk Kratzer zuzufügen. Auf diese Weise indes lädt der Film nicht dazu ein, sich mit dem Comic zu befassen; womöglich ein kulturelles Versäumnis.

Zur Story: Valérian und Laureline sind Raum-Zeit-Agenten einer nicht näher spezifizierten Regierung. Sie sollen einen illegalen Deal auf einem virtuellen Markt zum Platzen bringen und geraten dabei in eine Verschwörung um einen als unbewohnt eingestuften Planeten, der im Zuge eines Krieges zerstört wurde und dessen Bewohner den Gegenstand des illegalen Deals für einen Neuanfang brauchen und daher selbst jagen. Schauplatz ist eine uralte Raumstation, auf der sämtliche Zivilisationen sich ergänzend nebeneinanderleben. Eigentlich. In ihrem Inneren nistet sich dieses vermeintlich inexistente Volk der Pearls ein und bereitet den Neustart ihres Planeten vor. Die Regierung versucht, dies mit Gewalt zu verhindern. Aus recht schnell ersichtlichen Gründen wechseln die beiden Agenten bald die Seiten.

Eine dünne, leichte Handlung, die Besson da bemüht. Doch lässt er seinen Figuren und Schauplätzen nicht die sich daraus ergebende Zeit, auf den Betrachter zu wirken; lediglich die Anfangssequenz auf dem totgeweihten Planeten bekommt einige pastellige Wohlfühlzeit. Danach hetzt Besson durch die Settings und bringt vollkommen überflüssige Nebenschauplätze unter, durch die er ebenfalls hetzen muss, um nicht zu sehr zu überziehen. Der virtuelle Marktplatz, die Raumstation mit den unterschiedlichen Welten: Entweder traut Besson seinen eigenen Bildern nicht oder er agiert wie ein Kind, das zwingend all seine Spielsachen in einer Geschichte verwursten muss. Man sieht sich etwa dazu gezwungen, gefühlt zehn Minuten lang Rihanna beim Strippen zuzugucken; die Tricks dabei sind schön gemacht, aber das Ganze ist sinnfrei, ebenso wie die dazugehörige Sequenz mit den menschenfressenden Aliens (unlogisch genug auf einer Station, auf der angeblich sämtliche Zivilisationen friedlich koexistieren). Wenn all dieser Quatsch nur davon ablenken soll, dass die Handlung viel zu dünn ist, dann gelingt das allerdings nicht.

Verwunderlich ist, dass sich Besson keinen vernünftigen Dialogautoren leisten kann. Unfassbar, was für einen Durchfall die Figuren hier absondern. Am schlimmsten sind die vermeintlichen Liebeszänkereien zwischen Valérian und Laureline: Er will etwas von ihr und sie findet das doof. Beider aufgezählte Gründe gehen am Kern der Beziehungstauglichkeit vorbei und passen sich dem hohlen Geplänkel zeitgemäßer Partnerschaftsvorstellungen aus dem Internetdating an; und das, als man dachte, man habe die Rollenmodelle der Fünfziger endlich überwunden. Zweitschlimmstes sind die Wortbeiträge in Actionsituationen: „Pass auf dich auf“, „Schneller!“, solche Allgemeinplätze und einige Buddyzitate erzeugen statt Spannung und Humor nur Kopfschütteln. Ebenso die Spannung selbst: Die Krönung ist der Countdown einer Bombe, der allen Ernstes bei genau einer verbleibenden Sekunde gestoppt wird. Puh, das ist ja gerade nochmal gutgegangen!

Unschön sind erschreckenderweise auch die technischen Aspekte. Das 3D-Bild wirkt oft uneindeutig, gedoppelt, unscharf, verwischt; als hätte man einen 2D-Film notdürftig hochgerechnet. Eine Raumtiefe ergibt sich kaum, in 2D verpasst man vermutlich nichts. Schließlich bekommt man von den CGI-Bildern ja ohnehin kaum etwas Eindeutiges zu sehen, so flott, wie die virtuelle Kamera durch die Settings huscht. Die Farbwahl passt sich zudem an aktuelle Showbühnen aus dem Fernsehen an: Blau und Lila überwiegen. Ganz schlimm nervig ist die Musik, die wie bei Hans Zimmer jedes Gefühl grobfiedelig unterstreichert, anstatt den Zuschauer mündig selbst etwas empfinden zu lassen. Man ist emotional tot, noch bevor der Planet explodiert, und daran ändert sich auch nichts mehr.

Nicht zuletzt birgt der Film keinerlei eigene Idee; das könnte man in Einzelfällen als Hommage auffassen, wirkt aber nur uninspiriert: Die Pearls sehen aus wie verblasste Avatars, die drei Informanten wie Muppets mit der Eigenschaft von Volle und Kanne aus „Bill & Ted“, ein Verbrecher wie Jabba The Hut aus „Star Wars“. Rihanna spielt eine Formwandlerin analog zu Odo in „Deep Space Nine“.  In diesem Zusammenhang fällt zudem auf, wie unempathisch in diesem Film mit Toden umgegangen wird: Wer stirbt, ist halt weg, was insbesondere – und das ist typisch für Action- und Kriegsfilme aus Hollywood – für das soldatische Fußvolk gilt. Helden müssen gerettet, Helfer dürfen gefressen werden. Einzige Ausnahme ist die Königstochter der Pearls. Und diese Sequenz am Ende ist auch die einzige im Film, die sich etwas Ruhe gönnt; davon hätte man sich mehr gewünscht.

Fragwürdig ist die Entscheidung, die beiden Helden von Jugendlichen darstellen zu lassen; als Identifikationsfiguren taugen diese Milchgesichter mit ihren Teenagerproblemen nicht. Wenn das allerdings zielgruppengemäß sein soll, wundert es nicht, dass man den Kids von heute so altbackene Elemente vorsetzt, die für sie vermutlich brandneu sind, und Rihanna unterbringt. Für die Älteren stellt Herbie Hancock einen Minister dar, aber das nehmen die schon kaum noch wahr. Ebenso fragwürdig ist, warum die Titelhelden in der deutschen Version englisch ausgesprochen werden, nicht französisch. Zudem schlagen die Namen dem Carlsen-Verlag ein Schnippchen, der die Comicserie seit den Siebzigern als „Valerian & Veronique“ vermarktet.

Einzig positiv an diesem Film ist, dass die beiden Hauptfiguren gleichwertig sind. Laureline ist kein tumber Stichwort- und Joke-Buddy wie Obelix, Goofy oder die Sidekicks in handelsüblichen Actionklamotten, sondern eine ernstzunehmende Agentin. Wenigstens das. Trotzdem bitte keinen zweiten Teil.