Sound On Screen, Universum-Kino & Café Riptide, Braunschweig, am 22. November 2013

Von Stefanie Krause (29.11.2013)

Dieser Text ist auch auf Kult-Tour Braunschweig veröffentlicht.

Do You Feel Good Vibrations?

Kulturabend · Film · Musik

„Also ich freu ich jetzt sehr Morgen auf die Vorstellung“, sagt Beate Siegmann zum Schluss eines spontanen Email-Interviews einen Tag vor der „Sound on Screen“-Veranstaltung vom 22.11.2013. Nun, „so richtig entspannt werd ich aber erst sein, wenn er tatstächlich morgen Abend in OmU über die Leinwand flimmert“, fügt sie noch schnell hinzu. Die Vorführung von „Good Vibrations“, der die Geschichte des Heroen der Punkszene im bürgerkriegsgeschüttelten Belfast der späten 70er Jahre erzählt, läuft dann aber tadellos und der Film begeistert mich und das Publikum! Aber es ist für das Team von Sound on Screen meist gar nicht so einfach, solch tolle Filme aus aller Welt nach Braunschweig zu holen. Wie sie es dennoch immer wieder schaffen und damit „really good vibrations“ verbreiten, lest ihr hier.

Langweiliger Alltag oder gar trockene Routine ist das Vorführen und Programmieren solcher Filme ohne deutschen Kinostart auf keinen Fall. Man kann es duchaus als ein Erlebnis bezeichnen. Gerade die neue digitale Technik bringt dabei viele Herausforderungen mit sich. Aber fangen wir doch mal ganz am Anfang an. Warum sollte es denn dieses mal „Good Vibrations“ sein, der in der vom Universum Kino und dem Riptide Café gemeinsam veranstalteten Reihe Sound on Screen laufen darf?

Bereits die Geschichte, wie das Team von Sound on Screen auf diesen absoluten Underground-Film aufmerksam geworden sind, zeigt einen der wesentlichen Gründe den Erfolg von Sound on Screen auf: Das Team von Sound on Screen ist durchweg verrückt nach flimmerndem Leinwandstoff und mit absoluter Begeisterung in den Tiefen der spannendsten Filmlandschaft unterwegs. Braunschweig darf dankbar sein für ihren Einsatz – aber das scheint Beate von Sound on Screen nicht so ganz klar zu sein, denn wie beiläufig erzählt sie mir: „Zunächst mal sind wir auf den Film gestoßen, weil ich Good Vibrations als Eröffnungsfilm beim Filmfest in Karlovy Vary gesehen habe.“ Ähm, ja, wo ist das jetzt nochmal? Ach ja, in Karlsbad im tiefsten Tschechien. Klar, da bin ich auch öfter…na, doch, nein –  ich nicht, Beate fährt dafür regelmäßig im Sommer dorthin, denn hier findet in dem kleinen Kurort Karlovy Vary eins der weltweit führenden internationalen Filmfestivals statt. Danke, Beate – denn hier hat sie „Good Vibrations“ für uns entdeckt und entschlossen, „dass wir ihn unbedingt bei Sound on Screen zeigen sollten – weil er toll ist und super passt, schon allein wegen der Paralle zum Ripide: Plattenladen und Label – André und Chris waren vor allem auch unbedingt dafür, dass wir den Film zeigen!!“

Das kann man wohl laut sagen und Beate und den beiden Jungs vom Riptide nur Recht geben, „Good Vibrations“ passt wie die Faust aufs Auge. Erzählt wird die Geschichte von Terry Hooley aus Belfast, der Ende der 70er jahre einen kleinen Plattenladen und damit sein Plattenlabel genau in der Straße gründete, in der zu dieser Zeit die meisten Bomben in ganz Europa hochgingen. Da die blutigen Auseinandersetzungen zwischen Protestanten und Katholiken Belfast fest im Griff haben, wirkt Terrys Namenswahl nahezu utopisch unrealistisch: „Good Vibrations“. Doch das Beste ist, Terry gelingt es mit übersprudelnder Lebensfreude, seiner unbändigen Leidenschaftlich für den von ihm neu entdeckten Punk und einer guten Portion kindlicher Naivität nicht nur in seiner Straße im übertragenen Sinne die Sonne aufgehen zu lassen. Schnell wird sein Lädchen zum Mittelpunkt und Stammort der Punkbewegung in Belfast, die in „Good Vibrations“ als rettender Anker aus dem tiefschwarzen Loch des Krieges gezeichnet wird. In dieser Polarität zeigt sich deutlich, worum es beim Punk damals weltweit ging: Punk ist nicht nur Musik, Punk ist Lebenseinstellung! Zwischen Whisky, Kippen, jüngeren Punkerkumpanen und einer letztendlich doch vernachlässigten schwangeren Frau hin und her gerissen, ist Terry immer wieder vor allem von einem geleitet: Von seinen unbändigen Willen, den Punk überall zu verbreiten und damit ein postives Lebensgefühl zu verbreiten. Wie seine Frau kann ihm auch der Zuschauer einfach nicht böse sein…auch als er lieber sturzbesoffen mit Siouxsie Sioux von Siouxsie and the Banshees in einer Kneipe rumhängt und dabei die Geburt seines Kindes verpasst. Er nimmt The Untertones und The Outcasts unter Vertrag und geht auf Tour, ohne den Blick jemals wirklich auf den Profit zu richten und diesen, nebenbei gesagt, auch niemals wirklich zu erreichen. Darum geht es aber auch nicht! Es geht um Terrys „Way of life“. Von seiner unumstößlichen Lebensfreude lässt sich jeder gerne anstecken. Der Film ist sehr amüsant und sorgt für viele Lacher im ausverkauften Saal des Universums. Nachdenkliche Momente und eingespielte Szene von Straßenschlachten in Nordirland sind dezent gesetzt. Sie halten den Film an der Realität fest und tun ihm gut, anstatt das positive Grundkonzept zu zerstören. „Good Vibrations“ halt!

Wie schade, dass auch dieser Film wie viele andere Filme bei Sound on Screen wahrscheinlich keinen deutschen Kinostart haben wird. Also ist es etwas ganz Besonderes, das den Braunschweigern hier geschenkt wird. Für diesen besonderen und exklusiiven Moment setzt sich Beate und das Team von Sound on Screen mit Nachdruck ein. Ihre Arbeit hat auch dabei viel mit Recherche zu tun. Zunächst schien es so, als gäbe es bisher nur eine Blu-Ray aus GB in Englisch mit englichem Untertitel, verrät mir Beate. Doch „da der Film in Belfast spielt und im Original viel Slang gesprochen wird, wollten wir ihn am liebsten wie fast immer bei Sound on Screen in OmU“ zeigen, also mit deutschem Untertiel. Das ist gar kein einfaches Unterfangen! Nur durch „Zufall“ stellte Beate dann fest, dass er mit deutschem Untertitel in „Deutschland bisher nur ein einziges Mal lief und zwar in Emden beim Filmfestival in der Reihe ‚The British are coming'“. Kurzerhand griff sie zum Telefonhörer, doch des Rätsels Lösung war dies noch lange nicht.

„Nach einem Telefonat in Emden stand fest, dass die entprechende deutsch untertitelte DCP (Digitales Format) wieder zurück zur Produktionsfirma in London (The Works) gegangen war und dort die Rechte zur Aufführung eingeholt werden musste.“

Obwohl die Firma der Aufführung zustimmte, drohte das Finanzielle nun einen Strich druch die Rechnung zu machen. Die Aufführungskosten waren für Sound on Screen zu hoch. Nur dank guter Argumente, langjähriger Erfahrung und großem Durchhaltevermögen konnte das Team von Sound on Sreen die Kosten nach „unten handeln“. Aufatmen konnte man dennoch noch nicht, denn der Film schien in den Archiven der Produktionsfirma etwas untergegangen zu sein, und es „war nicht sicher, wo die deutsch untertitelte Fassung überhaupt war und man versprach uns, danach zu suchen“. Erst nach langen Wochen war die DCP gefunden und so langsam wurde es für Sound on Screen knapp. Noch ganz aufgeregt berichtet Beate mir: Es „kostete uns nochmal diverse Schweißperlen und Angst, dass wir ihn womöglich nicht mehr rechtzeitig hier in BS haben würden.“ Zum Glück klappte alles und in letzter Sekunde, also einen Tag vor der Aufführung, traf dann auch „der digitale Schlüssel“ ein, „also eine Art Passwort, mit dem der Film dann zum Laufen gebracht wird“. Ab hier gab es nur nur noch „ein kleines Zittern“ bis zum Nachmittag des folgenden Aufführungstages. Erst dann konnte „dieser Schlüssel frühestens ausgetestet werden. Denn diese DCP-Schlüssel gelten nur für einen ganz bestimmten Zeitraum an einem ganz bestimmten Tag – bei uns Morgen von 15-23 Uhr, Filmstart ist um 19 Uhr. Falls also aus irgendwelchen Gründen der Schlüssel doch nicht passt, was durchaus mal vorkommen kann bei dieser neuen Digitalisierungstechnik, heißt es schnell in London anrufen bzw. bei einer Notfallnummer und einen neuen anfordern.“

Puh, ich wusste nicht, dass die Hintergründe von Filmaufführungen spannender als ein Krimi sein können! Aber so ist es nun einmal und nicht jedem, der sich nach Feierabend zum entspannten Filmgenuss in den gemütlichen Kinosessel fallen lässt, ist dies wahrscheinlich bewusst. Kultur kommt nicht von ungefähr. Immer steckt viel Leidenschaft, viel Arbeit, viel Zeit und viel Herzblut in den Projekten – Profit ist da meistens zweitrangig oder man erwartet ihn erst gar nicht. Eigentlich kann Terry Hooley aus „Good Vibrations“ hier eine wunderbare Leitfigur darstellen. Und auch dem Team von Sound on Screen gelingt es nicht nur den Film, sondern wirklich wahre „Good Vibrations“ in unsere Stadt zu bringen. Der ausgiebige Applaus nach der Aufführung gilt für mich also nicht nur einem großartigen Film über ein Stück Musikgeschichte und einen Pionier des Punks, sondern vor allem auch dem Team von Sound on Screen, das so ein Erlebnis erst möglich macht! Danke – und der rote Vorhang im Universum schließt sich. Wir sehen uns hier spätestens dann, wenn er sich wieder für die nächste Sound on Screen Veranstaltung öffnete, für die Beate und Co bestimmt jetzt schon wieder bangen und schwitzen!
Ich für meinen Teil falle beglückt aus dem Kino, führe meinen Weg aber ausnahmsweise nicht zum Anschlussprogramm von Sound on Screen ins Café Riptide weiter, sondern am Dom vorbei, aus dem mir chorale Kirchenmusik entgegenplänkelt, weiter auf eine Punkkonzert im B58. Ich glaube, das passt jetzt auch richtig gut!

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