Soulfly – Archangel – Nuclear Blast 2015

Von Matthias Bosenick (23.08.2015)

Die Fresse ist das erklärte Ziel von Max Cavaleras Projektband Soulfly, auch auf deren zehntem Album „Archangel“. Damit setzt die Band den eingeschlagenen Weg fort, weg vom Experiment, hin zum oldschooligen Thrashgebolze. Oberflächlich belauscht ist das selbst mit Bonustracks nur eine dreiviertel Stunde lange Album die pure, stumpfe, substanzlose Metalballerei. Kompositorisch mag das sogar stimmen, da zieht Maxe nicht mehr so viele Heringe vom Teller, doch kann er sich auf Mitmusiker berufen, die es verstehen, mit ihren Instrumenten atmosphärische Gimmicks zu kreieren, die das Genaulauschen belohnen.

„We Sold Our Souls To Metal“, stellt Maxe zum Eingang klar, und lässt seine Band diesen Schlachtruf mit massivem Stahlbeton untermauern. Damit sind die Gehörgänge frei für das Folgende: Der Titeltrack etwa wird mit ambientalen Gitarrenteppichen ein- und ausgeläutet und bietet mit seinen tiefgestimmten Rhythmuszwischenparts eine feine Arrangementraffinesse. Das Geprügel basiert am Anfang des Albums nicht so durchgehend auf Tempo wie noch auf dem Vorgänger „Savages“. Das wissen schon Sludgemetaller, dass man auch schleppend heavy sein kann, und Soulfly beherzigen dies. Eben diese groovenden Passagen laden zu brutalerem Mitnicken ein als die flinken. Man kann sich gut vorstellen, dass dies genau das richtige Tempo ist, um live im Moshpit im Takt der Schwerkraft mithalten zu können, wenn man im Bunde mit und eingeklemmt zwischen Dutzenden anderer dazu herumhüpft. Im Verlaufe wird das Album dann doch noch schneller, aber mit dem getragenen Anlauf gewöhnt man sich daran und empfindet das Tempo dann als zwingend logisch.

Leider fallen Max nicht mehr so viele unterschiedliche Melodien ein, und selbst seine Schlachtrufe klingen wie schon mehrfach gehört, zumeist von ihm selbst. Auch die Hardcoreshouter Todd Jones und Matt Young setzen nur marginale stimmliche Akzente. Dafür gibt es Gitarrensoli! Keine ausufernden, aber immer mal wieder welche, und hey, die machen Spaß in diesem Kontext. Und Max kramt gelegentlich tiefdröhnende Chöre aus und lässt eben seinen Mitmusikern freieren Lauf.

Was hier jedoch wie auf den jüngeren Alben fehlt, was also Soulfly am Anfang so vom Metal-Rest abhob, sind die Einschübe aus anderen musikalischen Kulturen. Diese Experimentierfreude, Stücke mit einem Lennon-Sohn, mit serbischer Blaskapelle oder mit R’n’B-Sängerin, in einen Metalkontext zu bringen, machte Maxens Soulfly so spannend. Ganz abgesehen von den brasilianischen Urwaldsounds, die Cavalera seinerzeit von seiner Stammband Sepultura mitnahm. Die Folge ist, dass sich Soulfly heute nicht wesentlich von seinem anderen Projekt abhebt, der Cavalera Conspiracy, die er mit seinem Bruder Igor, wie er Fahnenflüchtling bei Sepultura, betreibt. Na, so ganz stimmt das nicht: „Archangel“ hat mehr Seele als „Pandemonium“.

Wie zuletzt immer erscheint dieses Album limitiert mit Bonustracks, darunter „Soulfly X“, das obligatorische nach der Band benannte Instrumental; da fragt man sich, warum es überhaupt eine Standardversion ohne gibt. Ein Cover ist auch enthalten, und zwar „You Suffer“, im Original von Napalm Death und laut Guinness Book Of World Records mit exakt 1,316 Sekunden das kürzeste veröffentlichte Stück Musik der Welt. Bei Soulfly ist es knapp zehnmal so lang und von einer Kinderstimme eingeleitet; der eigentlich ganz gute Witz ist damit gelesen lustiger als gehört. Der dritte Bonustrack „Acosador Nocturno“ ist im Grunde die portugiesische Version des Albumtracks „Deceiver“. Dem limitierten Digipak liegt außerdem eine DVD bei, mit einem Gig vom Hellfest 2014, bei dem Maxe sogar auf altes Sepultura-Kulturgut zurückgreift. Der Sound ist okay dafür, das Tageslicht etwas irritierend, und die Tracklist offenbart, was man beim chronologischen Durchhören sämtlicher Soulfly-Alben sowieso wahrnimmt: Je älter die Stücke sind, desto mehr Charakter und Wiedererkennungswert haben sie. Aber egal, für das nackenstrapazierende Vergnügen nimmt man auch „Archangel“ mit und weiß, dass man damit keinen wirklichen Fehler macht.