Pottzblitz – Geschichten aus der verbotenen Stadt – Blaulicht-Verlag 2012

Von Matthias Bosenick (26.08.2012)

Jetzt gibt es den für das Hannoveraner Internet-Journal „Langeleine.de“ gestaltete Online-Comic endlich auch als Buch. Damit fällt der Comic vielmehr in die Kategorie Graphic Novel. Ohne Worte erzählt Pott die Geschichte eines Mannes, der seine Frau nicht nur an den Alkohol verliert und dann vereinsamt. Zumindest ist das ein Teil dessen, was er abbildet. Nicht textet: Die 24 Episoden kommen komplett ohne Worte aus. Das lässt viele Interpretationsmöglichkeiten zu und Fragen offen, etwa die, weshalb Elemente der Geschichte sich wiederholen – oder gleich rückwärts laufen. Die Bilder sind im für Pott typischen Stil gestaltet, in Schwarz, Weiß und Blau, mit dicken Linien, vielen Details, gestempelten Versatzstücken und den in seinem Werk immerzu auftauchenden Figuren wie den Affen, dem traurigen Roboter und diversen Monstren. Auch ohne Worte ist das Buch nicht einfach durchzugucken: Man sollte es zweimal nacheinander betrachten, und das sehr konzentriert.

Erst gegen Ende erschließt sich, was die Denkblasen bedeuten, die der skelettierten Hauptfigur aus dem Kopf quillen: Dass das offenbar von kleinen Robotern gesteuerte Wesen nicht etwa telepathisch die Realität beeinflusst, sondern sich an seine eigene Vergangenheit erinnert. Okay, das Hemd war ein Indiz. Die Hauptgeschichte erzählt, wie die Freundin des Hauptcharakters in Braunschweig in die Psychiatrie kommt. Nach ihrer Heilung geht der Mann seiner Arbeit nach, während die Frau keine neue findet, daran zerbricht, Alkoholikerin wird und sich erhängt. Erst dann und zurück in Hannover, der aus Braunschweiger Sicht „verbotenen Stadt“, wird aus dem Mann das deprimierte, vereinsamte Skelett, das diese Geschichte erzählt.

So weit, so schlüssig; so einfach macht es Pott dem Betrachter aber nicht. In der Geschichte tauchen immer wieder bestimmte Figuren auf: Das Affenpaar schlägt sich und verträgt sich, bis der Affenmann parallel zur Hauptfigur den Drogen und dem Alkohol zuspricht. Quer in der Geschichte verteilt und an allen möglichen und unmöglichen Orten stehen zwei sich unterhaltende Frauen, die immer absolut identisch aussehen. Am Anfang begegnet das Skelett einer Frau, die ganz offensichtlich rückwärts geht. Und die Aufmerksamkeit des Skeletts erregt, dessen Schädeldecke abspringt und kleine Roboter freigibt, die die Frau abscannen. Jede Frau, die der Mann auf dem Heimweg trifft, ruft neue Erinnerungen hoch – und so kommt die Geschichte in Gang. Gerade dieses Zyklische erfordert es, das Buch mehrmals durchzugucken.

Und macht es zu etwas Besonderem. Wäre die Geschichte einfach zu entschlüsseln, wäre sie nur eine von vielen. Auch wegen des Detailreichtums kombiniert mit den klaren Linien möchte man in jedes Bild lang abtauchen und auf Entdeckungsreise gehen. Allein, gute Laune bekommt man von der Geschichte nicht, aber das ist ja nichts Schlimmes.

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