Nils Koppruch + Fink – Werkschau – Trocadero 2014

Von Matthias Bosenick (23.11.2014)

Der traurige Anlass für dieses opulente 12-CD-Boxset ist der Tod des Geehrten: Nils Koppruch starb 2012 mit nur 46 Jahren. Der Hamburger Sänger war ein Meister des uneindeutig beschriebenen Gefühls, das er zumeist mit von Country durchsetzter Rockmusik vermittelte. Einige der Alben seiner früheren Band Fink waren zuletzt nicht mehr erhältlich, da kommt diese „Werkschau“ mit allen CDs im Pappschuber gerade recht. Bonus sind eine Raritäten-Compilation sowie eine Tribute-Doppel-CD. Letztere wäre nicht nötig gewesen, erstere ist gleichzeitig erstaunlich vollständig und unvollständig. In Summe ein wundervolles Wiederhören, das den großen künstlerischen Verlust verdeutlicht.

Singer-Songwriter gibt es aktuell wie Sand am Meer. Die einen jammern, die anderen witzeln, die dritten politisieren zaghaft, doch was sie eint, sind nervende Stimmen, banale Texte, simple Musik und mangelnde Eigenständigkeit. Zu ihnen gehört nach Ansicht des Rezensenten auch Gisbert zu Knyphausen, weshalb es Wunder nahm, dass der hochverehrte Nils Koppruch ausgerechnet mit jenem eine Band formierte. Mit Zukunftsabsichten, die von Koppruchs Tod durchkreuzt wurden. Das optimistisch „I“ getaufte Album von Kid Kopphausen stellt daher den Schlusspunkt der Diskographie Koppruchs dar. Bei Kid Kopphausen handelt es sich gottlob nicht einfach um ein Duo, sondern eine feste Band, und das ist das Glück, denn so fügt sich Knyphausen in einen Kontext, in dem seine positiven Seiten im Vordergrund stehen.

Aber zurück an den Anfang: Fink sorgten mit ihrem ersten Album „Vogelbeobachtungen im Winter“ für Furore, besonders bei Fans von Element Of Crime, die deren Platten mochten, weil Musik und Texte von hoher Qualität waren, nicht nur eines von beiden oder gar beides nur Mittelmaß. Zwar fiel der ungewohnte Country-Anteil im Fink-Sound auf, doch war er eher ein spezieller Akzent als der Kern der Dinge. Denn die Texte transportierten die US-Volksmusik nur bedingt bis gar nicht: Man fand sich auch dann in ihnen wieder, wenn man sich für Country an sich nicht interessierte. Und man fand sich auch deshalb in ihnen wieder, weil Koppruch selten konkret war. Seine Lyrik funktionierte meistens über Bilder und Vergleiche, mit denen er Befindlichkeiten aller Art in Formen goss. Oft ging es um Liebe, glückliche und häufiger noch komplizierte. Auch Alltagsbeobachtungen und Selbstbetrachtungen fanden Einlass in seine Lieder.

Da sich die Bandbesetzung über die Jahre oft änderte, übertrug sich dieser Umstand auch auf die Musik. Fink entdeckten elektronische Instrumente und ließen die Produktion bis zum Finalen „Bam Bam Bam“ zusehends glatter werden. Es folgten der Split sowie zwei Solo-Alben Koppruchs, die wieder reduzierter instrumentiert waren. Und dann kam eben „I“.

Die Raritäten-Sammlung beinhaltet Songs, Liveversionen und Demos solcher Projekte wie Tex Fury & The Silver Spurs, die noch sehr im Country verwurzelt waren, aber schon Blaupausen für die frühen Fink legten, Fink Williams und Hotel Rex. Enthalten sind außerdem der „Bagdad Blues“, den Fink mit Peter Lohmeyer und Ulrich Tukur als Single veröffentlichten, „Das sind Geschichten“, das Fehlfarben mit Nils Koppruch auf ihrer Compilation „26 1/2“ einspielten, und „Knochen und Fleisch“, das Koppruch und Knyphausen als 7“-Single unters Volk brachten. Diverse Livetracks ergänzen die Sammlung, teilweise von der CD „Letzter September“, der Nummer 26 der Reihe „Return To Sender“ des gleichnamigen Labels mit einer Konzertaufnahme aus Frankfurt, die wiederum als Album in der „Werkschau“ fehlt. Mit Blick auf diese Lücke fällt auf, dass auch die beiden EPs „Er sieht sie an…“ und „Dingi“ mit ihren B-Seiten nicht enthalten sind. Und dann erinnert man sich an die DVD mit der Tour-Doku, die „Bam Bam Bam“ in der Erstauflage beilag, auch die fehlt hier in der Box.

Dafür gibt es eben noch die auch separat erhältliche Tribute-Compilation. Über die gilt es, den gnädigen Mantel des Schweigens zu hüllen. Die Ehrenden offenbaren zumeist, dass sie dem Geehrten einfach mal nicht das Wasser reichen können. Entweder trauen sie sich nicht, die Originale aus der Country-Ecke herauszuholen, oder sie tun dies auf eine Art und Weise, die das Ergebnis beliebig macht. So hört man selbst große Leute scheitern; Knarf Rellöm etwa macht den beklemmenden „Messerkampf“ zum geglätteten Feuilleton-Produkt.

Schade ist, dass der Pappschubersammlung zwar ein dickes Büchlein mit Interviews und spannenden Informationen beiliegt, dass aber wegen der reduzierten Aufbereitung der Alben deren Booklets und damit die Texte fehlen. Aber bei dem niedrigen Preis soll man nicht maulen.