Nicola Rollando e i Nuovi Disertori – Il Destino del Portiere – Meci 2018

Von Matthias Bosenick (07.11.2018)

Bei Airbnb finden sich doch auffällig häufig Gastgeber mit einer alternativen Lebenshaltung, offen, kulturell und politisch engagiert, freigiebig, gastfreundlich, neugierig. Der jüngste Urlaub in Sestri Levante bestätigte diesen Eindruck: Ein Angehöriger der Gastgeberschaft ist Mitglied der Band von Nicola Rollando, die nicht von ungefähr „die neuen Deserteure“ heißt. Mit ligurischer Folklore als musikalischer sowie dem Blickwinkel des Torwarts als inhaltlicher Grundlage befasst sich das Debüt-Album mit privatem wie weltpolitischem Geschehen. Zwischen wehmütigen Balladen lässt das Quartett Raum für ans Fröhliche grenzende Mitsingnummern – ein schöner Mix, unkitschig und reduziert, mitreißend und einnehmend.

Ganz ohrenkundig steht der Vortrag im Mittelpunkt dieses Albums, die beiden männlichen Stimmen bringen ihre Inhalte akzentuiert und klar dar. Jetzt müsste man nur noch ausreichend Italienisch verstehen, um die Texte nachvollziehen zu können, die laut Rollando „von den Fußballfeldern der Kindheit aus den frenetischen Wahnsinn dieser Tage“ reichen. Die „kleinen Helden“ sind es, der die Band mit diesem Album ein Denkmal setzen will, von der mythischen Figur „Palinuro über die anonymen Partisanen bis zum kleinen Torhüter des Kükenteams“. Dabei nimmt Rollando die Rolle des Torhüters – Portiere – ein, der nach seiner Ansicht einen anderen Blick auf das Spielgeschehen hat als die restlichen zehn Spieler, aber eng mit ihnen verbunden ist, und überträgt diesen Blickwinkel auf den Rest des Lebens, sieht sich selbst also als einen mit der Gesellschaft verbundenen Außenseiter. Seine Konsequenz ist die „Erzählung einer Geschichte, die nur paradox, bitter und sarkastisch sein kann“.

Was man der Musik nicht durchgehend anhört. In den ruhigeren Stücken liegen Weh- und latente Schwermut, wie man sie aus mediterranen Ländern abseits des sonnigen Italopop tatsächlich kennt, aber Rollando lässt immer wieder auch die Zügel locker und lässt seine Musiker fröhliche Folklore anstimmen, die zu manchen Teilen – insbesondere die unverzerrt gespielte E-Gitarre – sogar an die neueren Alben von Bob Dylan erinnert. Eine Geige flirrt gelegentlich durch die Lieder, mal als Beiwerk, mal als Melodiegeber, und fügt sich angenehm in den Sound ein. So richtig rockig wird die Band nie, auch wenn sie mal den Druck erhöht, aber das wäre auch unpassend.

Wie auch immer, „Das Schicksal des Torwarts“ ist ein wundervolles Souvenir, das es – abgesehen von einem direkten Kontakt über Facebook – ausschließlich in der Gegend zwischen Sestri Levante und Genua zu erwerben gibt. Und sicherlich macht besonders der persönliche Bezug zu diesem Album – vom Sohn eines der Musiker und also der Gastgeberin geschenkt bekommen – das Hören zu einem kleinen Spektakel sowie zur spätsommerlichen Erinnerung an die Baia del Silenzio und der Halbinsel Levante, an die Ruine Rocche di Sant’Anna und die Wanderung zum Punta Manara, an ligurische Küche und frisches Obst, an Ausflüge mit der Eisenbahn nach Genua, Rapallo, Levanto, an Schiffstouren nach Portofino und zur Abbazia di San Fruttuoso, an Fahrten mit der Funivia von Rapallo nach Montallegro und mit der Funicolare Sant’Anna in Genua, an die Plattenläden dort, in der Maddalena, Black Widow Records und Flamingo Records, die beide Kontakte zu früheren Begegnungen hatten, zu Davide von Vincebus Eruptum in Savona sowie zu Sara von Taxi Driver Records in Genua, ans Schwimmen im Mittelmeer im September und an die freundlichen Menschen in Ligurien, die einem sogar solche CDs schenken, weil sie am Unknown-Pleasures-T-Shirt erkennen, dass man den Musikgeschmack teilt.