Micha-El Goehre – Straßenköter – Satyr-Verlag 2017

Von Matthias Bosenick (28.12.2016)

Dieses soll wirklich das Ende sein, der tatsächlich letzte Teil der „Jungsmusik“-Trilogie, sagt Metal-Slammer und „Legacy“-Kolumnist Micha-El Goehre am Ende des Buches. Dabei ließe sich das Setting sicherlich unendlich erweitern, aber er weiß, wann Schluss ist. Wie die Scorpions. Die Romanreihe erzählt aus dem Leben des trotz diverser Ungeschicklichkeiten moralisch überraschend gefestigten Taugenichts‘ Torben, der sich hier erneut mit den Plagen des Alltags herumschlagen darf, wie Scheidung, Jobwechsel, Schließung der Stammkneipe. Man erfährt, wie aus dem orientierungslosen Tunichtgut ein verlässlicher Tugut wird. Das wäre alles zwar sehr schön, aber recht mittelmäßig, wäre es nicht so metalmäßig.

Das Buch saugt den Leser ein. Dafür sorgen ein fluffiger und humorvoller Schreibstil, der in den wörtlichen Reden auf zeitgemäße Formulierungen zurückgreift, vertraute Ereignisse, die jeder, sofern nicht selbst erlebt, dann doch zigmal im Fernsehen gesehen hat, liebenswerte kuriose Charaktere sowie das sowohl selbstreferenzielle als auch selbstkritische Setting in der Metalszene. Die Grundgeschichte ist, dass Torben seine frische Ehe mit Lucy per Seitensprung torpediert. Weil er gleichzeitig vom Webmenschen zum Tourmanager bei einem an Nuclear Blast angelehnten Metallabel verschoben wird, hat er wenig Zeit, seine Lucy zurückzuerobern, sondern mischt seine Trauer mit Arbeit, Alkohol und Analyse. Ein bisschen „Rocky“-mäßig wird dabei aus dem unbeleckten Anfänger jemand, der einen vielversprechenden Newcomer auf dem Weg zum Metal-Erfolgsact begleitet (Braunschweig stellt dabei eine wichtige Etappe dar – und der imaginäre Club „Kakapo“). Mit Hilfe des Geistes seines besten Freundes Sven.

Goehre nutzt diesen dritten Band dazu, inhaltlich vom Pfad der Beziehungskrise abzuweichen und sich auf das Tourleben und das Musicbiz zu konzentrieren. Dabei lässt er offenbar viel eigene Meinung einfließen; glücklich ist, wer sie teilt, ansonsten hat man es damit wohl etwas schwer. Dabei billigt Goehre seinem Ich-Erzähler Torben eine begrüßenswert moralische Sicht zu, ganz unrockstarig: Fremdgehen ist scheiße, Verantwortung für ein eigenes Kind ist geil, Saufen macht blöd und Drogen machen kaputt, ein fester Job gibt Sicherheit, man sollte die Grenzen seiner Fähigkeiten erkennen und einhalten, Freunde sind das Wichtigste auf der Welt. Und, na ja, Lemmy ist Gott.

À propos Gott, für den hat der Metalhead Goehre zwar Respekt übrig, blickt ansonsten aber lieber ganz klischeehaft auf dessen Gegenpart. Zwar bedient er auch weitere Metalklischees, aber nicht die ganz abstrusen, sondern solche, auf die sich die Mehrheit der Metalfans und auch ein paar Zufallsleser anderer Geschmacksrichtungen einigen können. Letztlich geht es um Leidenschaft, und da ist das Sujet egal, sobald man sie als sie selbst nachvollziehen kann. Und das bringt Goehre bestens rüber.

Dennoch spart er nicht an auch kritischen Blicken hinter die Kulissen, etwa mit Reflexionen über den Rock’n’Roll-Geist, der auf der Strecke bleibt, wenn das Label ein Albumcover auf eine bestvermarktbare Weise gestalten lässt oder eine Band im Aufwind mit chemischen Substanzen daran gehindert wird, aus gesundheitlichen Gründen Auftritte zu versäumen. Eine für Normalkonsumenten unglaubwürdige Binsenweisheit greift Goehre hier dankbarerweise auf: Metaler sind höflicher als Schlagersänger. Ein für Normalkonsumenten dankbares Klischee hätte er sich indes sparen können: Osteuropäer sind Waffenschmuggler.

Natürlich empfiehlt es sich, die beiden Vorgängerbücher „Jungsmusik“ und „Höllenglöcken“ gelesen zu haben, weil Goehre in „Straßenköter“ inhaltlich darauf zurückgreift, diese Bezüge aber erläutert, weshalb man auch einfach mit diesem Buch loslegen kann. Der ganze Spaß stellt sich aber im chronologisch korrekten Dreierpack ein. Als Bonus gibt es, weil noch Platz ist, noch fünf Kolumnen aus dem Magazin „Legacy“ obendrauf. Wer richtet nun metaladopt.de ein?