Grass Harp: Cosmic Voyage – Live im Kulturzentrum Hallenbad in Wolfsburg am 14. Oktober 2017

Von Matthias Bosenick (16.10.2017)

Ist das wirklich schon fast neun Jahre her? Seit Silvester 2008 gaben die ursprünglich Velpker Psychedeliker Grass Harp keinen Gig mehr in Wolfsburg (und auch sonst fast nirgendwo). Das angenehm würdevoll gereifte Quintett spielte Hits aus allen Schaffensperioden, also vom frühen Riffrock über den Fields-versetzten Stoner bis zur freakigen Disco. Wiederhören machte Freude, das Wiedersehen im Publikum aber auch. Unklar, was überwog. Ein schöner Abend, der alle Erwartungen erfüllte, es dabei aber auch beließ.

Mit „Too Dizzy“ eröffnen, geschickt und gelungen. Der dritte Track der „Cosmodrome EP“ von 1994 (oder auch des „Psychedelicum“-Tapes zwei Jahre zuvor) gab gleich den besten Einblick in das Genre, mit dem wohl die meisten Hörer Grass Harp verbinden: Psychedelic, Stoner. Wabern, Trance, Wiederholung, Fallenlassen, Rotieren, sich im schier endlosen Song verlieren können. Solches gehört definitiv zum Oeuvre der Band, aber nicht ausschließlich: Manch alter Track aus der Kassetten-Zeit erinnert mit seinen heavy Riffs an Led Zeppelin, die Vorliebe für die Fields Of The Nephilim schlägt sich nicht nur im progressiv rockenden „Mushroom Circus“ mit den typischen Basssounds nieder, und im Laufe der Zeit wurden die Songs kompakter, bisweilen gar tanzbar, wenn die Beats stampften und die Melodien den Rock beinahe in die Disco trugen. Ein leichtes Update erfuhren manche Songs in diesem Liveset durch neue Synthieeffekte, ansonsten war alles vertraut.

So ging es kreuz und quer durch die Discographie, eine „Cosmic Voyage“ wie angekündigt. Kleiner Zufall am Rande: Das Braunschweiger Akasha Project begab sich gleichzeitig in Frankfurt auf eine „Cosmic Journey“. Die fünf Musiker trugen Uniform-T-Shirts mit Liebesbotschaft und strahlten eine Jugendlichkeit aus, die andere Bands in jenem Alter längst dem Rock‘n‘Roll-Hedonismus opferten. Seiner eigenen Nicht-Jugendlichkeit gewahr, feierte das Publikum auch artig jeden Song, zumindest an dessen Ende; währenddessen stand das Wiedersehen untereinander für viele deutlich vernehmbar zentraler, bei manch stillen Passagen war das Gespräch lauter als die Band.

Die erweckte ihrerseits den irritierenden Eindruck, das Konzert gegeben haben zu müssen. Vielleicht lag das aber auch daran, dass die Musiker sehr konzentriert zu Werke gingen, schließlich haben sie mit diesem Programm keine Routine mehr. Bis auf wenige Infos („Vor ziemlich exakt auf den Tag genau 30 Jahren stand ich hier zum ersten Mal auf der Bühne“, so Sänger Gero, das ein im Publikum gemurmeltes „Ich weiß, ich war dabei“ quittierte; er meinte das damalige Kaschpa-Jugendzentrum, das heute das Kino des Hallenbads beherbergt) gaben Grass Harp nicht viel preis, nicht den Grund für die Pause und nicht den Grund für deren Ende, nichts über die Zeit davor und die dazwischen und erst recht nichts über die Zeit, die kommt. Selbst an seinen letzten Gig konnte sich Gero nicht erinnern (ganz abgesehen davon, dass die Band schon am 30. August in Hildesheim das Comeback beging) – dabei fand der nur knapp neun Jahre zuvor ein Stockwerk tiefer statt, an Silvester im Sauna Club.

Und trotz all der Jahre dazwischen kam es einem so vor, als habe man die Songs eben erst zuletzt gehört. So vertraut. Jedes Break sitzt, jede Textzeile, jedes Riff, jeder Twist. Was für großartige Mucke die fünf uns bescherten. Da wartet man gern neun Jahre lang, sie mal wieder live zu erleben.