Dirtmusic – Bu Bir Ruya – Glitterbeat 2018

Von Matthias Bosenick (20.02.2018)

Missmutig schieben Dirtmusic ihren hypnotischen Blues von der Wüste in den Orient. Obgleich das eigens zum Trio aufgestockte Rest-Duo aus Chris Eckman und Hugo Race dieses Mal mit Murat Ertel einen türkischen Psychedeliker an Bord hat, klingt die Musik bei aller Uferlosigkeit (und Großartigkeit!) nicht eben nach Lebensfreude. Kein Wunder angesichts der Themen: Es geht um die Festung Europa und das Verhalten des Westens gegenüber Flüchtlingen. Ungeachtet der musikalischen Qualität: Spaß macht „Bu Bir Ruya“ nicht gerade. Und das soll es ja auch nicht.

Der Weg, den Eckman und Race bis nach Istanbul genommen haben, klingt auf „Bu Bir Ruya“ immer durch: Eckman kommt von den Walkabouts und damit aus der alternativen Folklore-Country-Ecke der USA, Race als Mitgründer der Bad Seeds aus dem räudigen Blues Australiens. Als Dirtmusic – zunächst noch mit Chris Brokaw von Codeine und Come – entdeckten sie bald die mit westlichem Instrumentarium gespielte traditionelle Musik Malis für sich und adaptierten die handgemachten Loops von Tamikrest; Wüstenmenschen zweier Kontinente in der Sahara, also, und daraus ergab sich eine Abkehr vom klassischen Song. Das zwangsläufig folgende karge Hypnotische liegt auch „Bu Bir Ruya“ zugrunde, angereichert mit türkischen Sounds, abzüglich jeglicher Lebensfreude.

Von der alternativen Psychedelic-Rock-Band Baba Zula aus Istanbul borgen sich Dirtmusic für dieses Album also Murat Ertel aus. Der trägt seine repetetiven Strukturen passend in den Hypnotikbeat von Dirtmusic, außerdem bringt er seine elektrische Bağlama-Saz und einige weitere Musiker mit, die wiederum orientalische Rhythmusinstrumente wie Bendir, Goblet und Tabla dabei haben. Als Hintergrundchor steht eine kleine Armada an Sängerinnen parat. Bass, Gitarre und elektronische Loops übernehmen Race und Eckman selbst. Das liest sich wie eine gute Voraussetzung für Partymucke – und bietet genau diese absolut gar nicht.

Stattdessen bekommt man eine perfekte Fusion aus den Ausgangsbedingungen. Die türkischen Instrumente ordnen sich nicht unter, sondern reichern den kreisförmigen Wüstenblues nicht nur an, sie erweitern ihn. Die Freunde der reinen Weltmusik bedienen Dirtmusic in keiner Sekunde, das Team denkt Globalisierung weiter, auf musikalischer wie inhaltlicher Ebene. Denn Globalisierung bedeutet nicht nur, dass ein US-Amerikaner und ein Australier mit Türken musizieren, sondern auch eine gesellschaftliche und politische Verantwortung, die der Westen gegenüber denen trägt, auf deren Kosten er lebt. So ist „Bu Bir Ruya“ – „Es ist ein Traum“, sagt Google – mehr ernstes Mahnmal als Spaßbeschallung und wird vermutlich ob seiner Sperrigkeit nicht sonderlich laut durch die Welt tönen.

Die buntere Variante davon erhält man vermutlich auf „XX“, der Compilation zum Zwanzigjährigen von Baba Zula. Auf der Bonus-CD steuern Dirtmusic einen Dubmix bei. Veröffentlicht auf Glitterbeat, vor einem Jahr, mitten während der Aufnahmen von „Bu Bir Ruya“. Das übrigens zwar das fünfte reguläre Album von Dirtmusic ist, aber das siebte in Summe: Zwei CDs mit Wüstensessions sind mittlerweile zu Raritäten geworden.