Devin Townsend Project – Ziltoid Live At The Royal Albert Hall – InsideOut/Century Media 2015

Von Matthias Bosenick (15.12.2015)

Die letzten zehn Minuten dieses 2:47-Stunden-Konzertes rechtfertigen den Erwerb. Sie zeigen, dass Metaler, Hippies und Punks einfach die besseren Menschen auf dieser Welt sind. Popstar Devin Townsend holt nicht nur seine gesamte Crew, sondern auch seinen kleinen Sohn auf die Bühne, und alle intonieren „Universal Flame“, strahlen, hüpfen, singen, schwenken Ziltoid-Figuren und haben die beste Zeit ihres Lebens. Da gehen Herzen auf. Und man vergisst, wie sehr die kaffeesüchtige Weltraumfigur Ziltoid vorher zu nerven in der Lage war. Eigens für dieses Konzert in der Royal Albert Hall führte Devin Townsend mit seinem Project das jüngste Album „Dark Matters“ komplett auf und ergänzte es um ein online gewähltes Best-Of-Programm. Wer viele Livealben von Devin hat, braucht dieses nicht wirklich zwingend auch noch, denkt man – aber nur bis kurz vor Ablauf.

Ziltoid ist ein Pennälerwitz mit Furzen. Die mag Dev ja sowieso gern, wie er auch schon auf „Deconstruction“ belegte. Okay. Als „Ziltoid The Omniscient“ ließ Dev den seinerzeit nach seinem Bilde geschaffenen Alien 2007 auf die Menschheit los, im Bunde mit „Sky Blue“ schob er vor einem Jahr unter dem Titel „Z²“ das Album „Dark Matters“ mit Ziltoid nach. Und brachte es im April in der Royal Albert Hall in London zur Aufführung. Mit einem Brimborium, das nur unwesentlich unter dem des vorherigen Livedokuments „The Retinal Circus“ blieb: Videoclips mit Spezialeffekten, ein vielköpfiger Chor, Schauspieler, Co-Gesang von Dominique Lenore Persi (von der Band Stolen Babies und ein akzeptabler Ersatz für Anneke van Giersbergen) und ein erhöhtes Schlagzeug stehen dem Zirkus kaum nach. Das Publikum nicht minder, als Ziltoid verkleidet, aber auch als Pokémons und andere Fantasiefiguren. Ein gutgelauntes Heavy-Hippie-Spektakel. Mit der Pointe, dass sich die außerirdische Bedrohung angewidert von der Erde abwendet, weil es Musicals nicht ausstehen kann.

Das ist eine geballte Ladung, die da auf uns Erdlinge zudröhnt. Wer von Ziltoid genervt ist und lieber nur Devins Mucke haben will, bekommt anderthalb Stunden Best-Of, mit nur zwei Überschneidungen zum ähnlich konzipierten „The Retinal Circus“. Dieses Mal war es nicht Devin selbst, der die Songauswahl traf, sondern die Gefolgschaft online. Und so finden sich denn auch mal Perlen in der Setlist, die laut Dev noch nie live umgesetzt wurden, wie „Bastard“ und „The Death Of Music“ vom großartigen „Ocean Machine: Biomech“. In diesem Teil macht sich die Band locker, wechselt vom Anzug zum Feierabendoutfit und vermittelt ohne das Ziltoid-Korsett gleich viel mehr Spaß an der Sache.

Grundsätzlich ist Devin vermutlich der größte Querkopf im Heavy Metal. Aktuell verbindet wohl niemand wie er eine niederwalzende Härte mit solcher Leichtfüßigkeit. Problematisch ist lediglich, dass sein Sound wie auch auf den Studioalben zwar heavy ist, aber doch so glatt und komprimiert, dass er den Hörer bald niederstreckt. Auch auf älteren Livemitschnitten beschleicht einen zudem der Verdacht, nicht wirklich alles live gespielt bekommen zu haben; zu perfekt klingen die Songs, oft vermeintlich exakt so, wie man sie von den Alben kennt. Dennoch ist Dev nun mal ein begnadeter Entertainer und ein einfallsreicher Komponist, dessen Songs sich mit Freude im Ohr einnisten. Und wenn der kahlköpfige Sympath dann am Ende zur bombastischen Hüpfehymne „Universal Flame“ im Chor mit seiner Ziltoid-Armee, dem gesamten Technik-Team und seinem schüchternen Sohn das satte Leben feiert, bis man Salzwasser schmeckt, fühlt man sich in seinem Fansein bestärkt.

Nach „By A Thread (Live In London)“ mit vier DVDs und fünf CDs sowie „The Retinal Circus“ mit zwei DVDs, zwei CDs und einer BluRay (und, wenn man will, der „Unplugged“-CD-R) überfrachtet Devin seine Fans mit einem weiteren fetten Live-Paket in fünf Jahren. Der Normalkäufer bekommt ein schickes Digipak mit drei CDs und einer DVD. Wer mehr Geld anlegen möchte, greift zum knapp elfzölligen Buch mit den drei CDs, aber zwei DVDs und einer BluRay. Braucht niemand, ist aber schmuck. Nur als BluRay gibt’s das Konzert auch, da sind die Bonussachen der zweiten DVD aus dem Buch mit drauf. Die Bildqualität und der Schnitt sind guckbar, Regisseur Paul M Green lässt erfreulich viele Blicke auf das hingerissene Publikum zu. Seltsam sind nur die Lautstärkenschwankungen, die verleiden den Musikgenuss einigermaßen. Na, gegen die Emotionale Wucht von „Universal Flame“ können auch die nichts ausrichten.

„Dark Matters“:

From Sleep Awake
Ziltoidian Empire
War Princess
Deathray
March Of The Poozers
Wandering Eye
Earth
Ziltoid Goes Home
Through The Wormhole
Dimension Z

Bonus:
Namaste (von „Physicist“, 2000)
Night (von „Ocean Machine: Biomech“, 1997)
Deadhead (von „Accelerated Evolution“, 2003)
Earth Day (von „Terria“, 2001)
Christeen (von „Infinity“ und „Christeen (Plus Four Demos)“, 1998)
Supercrush! (von „Addicted“, 2009)
Kingdom (von „Physicist“, 2000, und „Epicloud“, 2012)
Lucky Animals (von „Epicloud“, 2012)
Heatwave (von „Epicloud“, 2012)
Funeral (von „Ocean Machine: Biomech“, 1997)
Bastard (von „Ocean Machine: Biomech“, 1997)
The Death Of Music (von „Ocean Machine: Biomech“, 1997)
Universal Flame (von „Sky Blue“, 2014)