Devin Townsend Project – Transcendence – HDR/InsideOut 2016

Von Matthias Bosenick (23.11.2016)

Nein, dieser Devin! Im Sekundentakt haut er uns die Lieblingslieder in spe nur so um die Ohren. Gerade erst ist seine Autobiographie „Only Half There“ mit Bonus-CD („Iceland“) und -Tape („Ancient“) erschienen, schon legt er parallel das Doppel-Album „Transcendece“ nach. Im Vergleich zu noch kürzlich benutzte Dev hier weniger Weichspüler und Grauschleier, er entzog seinem Gospelmetal das Wattige. Wie anders er noch kann, belegt er auf der Bonus-CD. Muss das schön sein, seine Depressionen überwunden zu haben! Nur dafür extra erstmal welche bekommen? Och nö, lieber nur die Therapieergebnisse anderer Leute. Wie dieses.

Den Auftakt „Truth“ kennt man schon vom Livealbum „The Retinal Circus“, und hier klingt es fast genauso, man vermeint sogar den Applaus zu hören. Vielleicht ist da ja auch nur der Wunsch der Vater des Vernommenen, denn das Album ist des permanenten Applauses würdig. Die Komponenten in Devins Heavymetalmusik sind seit der Projektwerdung kontinuierlich ähnlich: Gospel, Ambient, Keyboards, Gegniedel, nun: Kitsch; nur verkleistert er hier den Sound nicht mehr so wie noch auf „Epicloud“ und „Sky Blue“. Hier dringen Kantigkeit und Exaktheit so weit nach vorn, dass man sich im Studio bei den Aufnahmen als Gast wähnt. Auf diese Weise erfährt der Metal eine Verrauhung angenehmster Spielart: Jede Ecke steht hervor, jede Fläche lässt Raum für genaue Wahrnehmung. Und für seine Band, das ist auch fein.

Eigentlich müsste man sagen, dass Devins Metal inzwischen vielmehr ein sehr unbequemer Pop geworden ist. Ihm fallen wunderschöne Melodien ein, und wenn er Anneke van Giersbergen mitsingen lässt, wähnt man sich fast in Florian Silbereisens Nähe. Doch flicht Devs Project Elemente ein, die den Unterschied zum Herkömmlichen machen, sei es zum Pop, zum Schlager und eben auch zum Metal: harte Gitarrenriffs und Doublebassattacken sind kein Erkennungsmerkmal für nur den Metal allein, Dev verknüpft ihn mit allem. Seine Musik ist zwangsläufig progressiv zu nennen. Dabei ist sie weitaus warmherziger als die sämtlicher Genres, die er zusammenführt, egal, wie heavy er voranprescht. Spätestens mit seiner vielfältigen Stimme holt er den Hörer zu sich; wenn er wahlweise brüllt, growlt, im Falsett singt oder sanft croont.

Man kann Dev immer zugutehalten, dass sein Metal bei all den Inhaltsstoffen nicht tatsächlich in den Kitsch abdriftet. Er bleibt auf der ernstzunehmenden Seite, trotz vergleichbarer Sounds anders als viele Epic-Metaler oder Female Fronted Metal Bands, wie sowas gern heißt, wahlweise italienischer oder finnischer Herkunft. Dazu trägt bei, dass seine Songs ganz andere Strukturen haben als im Mainstream, nicht so zwangsläufig oder vorhersehbar. Den Ausklang bildet mit „Transdermal Celebration“ übrigens ein Cover-Stück, und zwar, man höre und staune, von Ween.

Und weil das nicht reicht, legt Dev dem einstündigen Album noch eine dreiviertelstündige Bonus-CD bei, titels „Holding Patterns“. Zusätzlich zu den beiden Vinyl-Bonus-Tracks enthält diese CD neun lediglich so genannte Demos, die wie ein Mixtape des Kanadiers klingen: Anders als das Hauptalbum nicht wie aus einem Guss, sondern quer durch Devins Stiloeuvre, also mit Techno, Bluesrock, Mathemetal, Opulenz, Thrash und Spaß am Musizieren. Seinen eigenen Song „Victim“ nimmt er hier mit ins Gefüge auf. Und weil ihm das ja immer noch nicht reicht, gibt’s in Japan noch drei Songs mehr. Frechheit! So ein Schlawiner. Na, dem Rest der Welt schenkt er bestimmt schon in zwei Wochen das nächste Doppelalbum.