Ashinoa – L’Orée – Fuzz Club Records 2023

Von Matthias Bosenick (24.05.2023)

„L’Orée“ ist eine Wundertüte: Das Quintett Ashinoa aus Lyon bringt so ziemlich alles an Genres unter, worauf es Bock hat, und weil es darauf Bock hat, auch noch überzeugend kombiniert. Dub, Trance, Dance, Ethno, Ambient, Noiserock, IDM, Electroswing, Drone, alles organisch und warm trotz Elektronik, immerhin hat es gleich fünf Leute, die die Musik erzeugen, da sind mehr als nur Synthies im Fuhrpark untergebracht. Ausgangslage für die Band ist eigentlich der Krautrock, heißt es, und wenn „L’Orée“ ein Weiterdenken dieser Spielart sein soll, dann denken Ashinoa begrüßenswert weit weiter.

Die Band informiert, dass sie sich für die Aufnahmen an diesem Album irgendwo im Nirgendwo in eine Hütte sperrte, die Natur auf sich wirken ließ, die Wirkungen in Musik umsetzte und dabei auch noch externe Mitmachende zu Gast hatte. Das erklärt, warum „L’Orée“ so organisch klingt, warum das Synthetische der Synthesizer nicht die Oberhand gewinnt und also nicht dazu in der Lage ist, die handelsübliche Kälte zu verbreiten. Stattdessen ist die Musik warm und trippig, vielseitig, lebendig.

Es macht einen Unterschied, ob das Schlagzeug bei einer tanzbaren Musik ein echtes ist, und das Schlagzeug hier verbreitet Dynamik, Leben, Volumen, Variabilität, setzt füllige Tupfer in die Soundlandschaft. Diese variiert von Track zu Track und trägt doch eine gemeinsame Handschrift; das Album bildet einen konsistenten Fluss, aber mit den unterschiedlichen Gästen und den ohnehin wilden Ideen in den Köpfen der Hauptbesetzung hat jeder Flussabschnitt eine eigene Topografie. Auf fällt, dass Ashinoa keine Lust auf rein klare Sounds haben, so oft, wie sie die melodiösen Teile verfremden, beugen, dubben. Auch das trägt zum Eindruck bei, die Musik sei organisch, ebenso die eingestreuten Samples, von imitierten Tier- bis Menschenstimmen.

So kommt es, dass die analogen Beats sehr zum chilligen Tanzen einladen und die Tracks analog zum Krautrock mit Kontinuität unterfüttern, während die anderen Musiker darüber und drumherum experimentieren, generieren, spielen, sich in allem ausprobieren, was gerade so in Herz und Seele oder nebenan im Wald herumfliegt, bis hin sogar zu psychedelischem Noiserock oder Swing. Analogien findet man so einige, wenn man mag, an die synthetischen Experimentierfelder von Future Sound Of London etwa, an den lebendigen Dub von Automat, an die handgespielte und doch synthetische Tanzbarkeit von Kong oder an den freakigen Electro mit Schlagzeug von Meat Beat Manifesto. „L’Orée“ ist aber trotzdem eigen.

Ashinoa besteht aus Gitarrist Chris Poincelot, Bassist und Synthiespieler Matteo Fabbri, Synthiespieler Jérémy Labarre, Schlagzeuger Paul Renard und Videojockey Ghazi Frini. Lucien Chatin von Electric Safari und Enlarge Your Monster, der auf dem Vorgänger „Sinie Sinie“ noch zur Stammbesetzung gehörte, ist hier als Schlagzeug-Gast aufgeführt. Weitere Gäste sind Flötistin Celine Bulteau sowie Gitarrist und Droneerzeuger Christopher Poincelot.