Alcest – Shelter – Prophecy 2014

Von Matthias Bosenick (21.02.2014)

Da gleitet er dahin: Was einst im Black Metal startete, fließt nun träumerisch ins Licht. Angesichts der ansonsten allerorts drohenden Apokalypse ist dies womöglich eine abwechslungsreich positive Wendung, angesichts ausbleibender Originalität ist „Shelter“ allerdings annähernd entbehrlich. „Shelter“ tut nicht weh, aber ein bisschen Schmerz hätte dem Werk gutgetan.

Alcest-Kopf Neige schliff für „Shelter“ sämtliche Ecken und Kanten seines dem Black Metal entsprungenen Sounds ab. Dem Black Metal an sich tat die Entwicklung hin zum Ambient eigentlich ganz gut, damit wurde diese Richtung auch für nicht ganz so extrem geschulte Hörer genießbar. Auch mit Blastbeats, Keifen und irrwitzigem Tempo kann Musik entspannend sein, und mit Alcest wusste Neige solche Sounds zu erzeugen.

Auf diese Sounds fußt nun „Shelter“ zwar in seiner Grundstruktur, aber ohne die Black-Metal-Elemente, dafür mit Streichern. Das heißt, dass man das einstige Grundrauschen jetzt als eine dem Shoegaze, Post Rock oder Dream Pop entlehnte Musik erhält. Neiges Stimme erinnert an die von Etienne Daho, was aber auch lediglich an der gesungenen Sprache, Französisch nämlich, liegen kann; sie passt gut zu der Musik. Die wiederum erinnert an My Bloody Valentine, Sigur Rós und 4AD-Bands der 80er – und Alben all dieser Bands hat man schon im Schrank. Die Nähe zu Sigur Rós erklärt sich ganz einfach damit, dass deren Produzent Birgir Jón Birgisson das Album mit Neige und Sidekick Winterhalter in seinem Studio in Island aufnahm.

So bleibt die Kombination aus Sound und Stimme das Besondere, gepaart mit der Anomalie, dass Neige eine positive Stimmung verbreiten will. Okay, die Songs sind toll, man gerät ins Schwärmen, Schwelgen, Träumen, lehnt sich enstpannt zurück und fühlt sich – titelgemäß – geborgen. Nur umfassend neu ist die Musik nicht.

Dafür rotiert die Gelddruckmaschine. Wer nur die CD haben will, bekommt zum gewohnten Preis acht Lieder. Doch gibt es einen sechseinhalbminütigen Bonussong, für den man als nächstgeringeren Preis schon zwischen 30 und 40 Euro bezahlt: Dafür bekommt man ein Buich mit zwei CDs, die allerdings so labberig in die Seiten geklemmt sind, dass die Zerstörung des Produktes mit eingebaut ist. Wer auf Vinyl steht, scheitert an der vergriffenen normalen LP ohne Bonus – oder legt für Doppel-LP, 7“, CDs, DVD, zwei Bücher und weiß der Geier was noch um die 80 bis 100 Euro hin. Das allerdings ist das Produkt beim besten Willen nicht wert.

Okay, ein hübsches Album also, stört nicht weiter. Aber es bahnt sich seit einiger Zeit aus Würzburg die Band Der Weg einer Freiheit in die aufgeschlossene Black-Metal-Hörerschaft. Die klingen entfernt wie Alcest vor dem Sonnenaufgang, da könnte man mal den Geldbeutel für leeren.

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